„Verfassungsschutz“ und „NSU“: Der Skandal, der nicht begriffen werden soll

Veröffentlicht: Juli 5, 2012 in Politik
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Was musste „Schreddermann“ wirklich schreddern?

Da mordet eine Bande von Neonazis haufenweise Menschen mit „Migrationshintergrund“ und eine Polizistin, fallweise sozusagen unter den Augen des „Verfassungsschutzes“ (1). Die Polizistin scheint sogar unter den Augen von US-Agenten (2) ermordet worden zu sein! Die Bande lässt sich bei Urlaubsaufenthalten fröhlich fotografieren (3), wie aus einem Interview mit den Eltern eines der Terroristen im Spiegel hervorgeht. Da muss man sich schon sehr sicher oder gar „beschützt“ fühlen, um so vorzugehen. Umstände werden sichtbar, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Aber das alles ist noch nicht genug, in geradezu grotesker Weise verschwinden Aktenberge im Reißwolf, auf eine Art, als solle noch einmal für das geneigte Publikum die „Schusseligkeit“ der Geheimtruppe demonstriert werden.

Da kann auch Christian Geyer von der FAZ nicht umhin zu erkennen: „Das Verfängliche für den Verfassungsschutz: Jede Verschwörungstheorie hört sich plausibler an als alle möglichen Theorien, die uns von einem schusseligen Einzeltäter im Amt erzählen wollen.“ (4). Teilen des Publikums gefällt natürlich die Mär von den depperten Geheimdiensten, vielleicht kann man sich in seiner eigenen Ahnungslosigkeit selbst gut darin wiederfinden. Aber, Vorsicht, wenn Geheimdienste von sich selbst das Bild der „Verhuschtheit“ spinnen oder ihm Nahrung geben!

Taube und blinde Hirtenhunde, denen man die Nase abgeschnitten hat

Das ficht aber offenbar die „Obleute“ der Parteien im Untersuchungsausschuss nicht an, denn sie verkündeten: „weder das Zwickauer Trio noch die bislang bekannten Unterstützer des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) waren V-Leute des Bundesamtes des Verfassungsschutzes (BfV)“, wie im FAZ-Net zu lesen (5). Da hat sich auch offenbar die Obfrau der LINKEn, Petra Pau, wie ein tauber und blinder Hirtenhund, dem man auch noch die Nase abgeschnitten hat, verhalten.

„Die Unterlagen ergaben keine Hinweise darauf, dass Mitglieder der NSU als V-Leute für den Verfassungsschutz gearbeitet hätten“ gibt die Süddeutsche „Erkenntnisse“ zweifelhafter Art wieder (6).

Nun brauchten vielleicht einige Informationen gar nicht geschreddert zu werden, weil sie offiziell beim Verfassungsschutz sowieso nicht „aktenkundig“ sind, wie aus Äußerungen des Grünen-Abgeordneten Ströbele hervorgeht: „“Aber wir wissen zum Beispiel aus einem Vermerk, dass es auch Anwerbungen und V-Leute gab, die aus operativen Gründen nicht in die innere Verfassungsdatei aufgenommen worden sind“ (7).

Die Zeichen mehren sich

In der Politik ist man im Allgemeinen immer auf „Arbeiten mit unvollständiger Information“ angewiesen, wie die Geheimdienste auch selbst. Daher werden in diesem Geschäft ja auch viele Aussagen mit dem Begriff „Einschätzung“ überschrieben. Um solche werden ja auch immer Heerscharen von „Terrorexperten“ gebeten. So ist es hohe Zeit, mit realistischem Blick eine Einschätzung des Treibens in der deutschen Geheimdienstszene vorzunehmen. Das dabei oft „harte“ Beweise letztlich nicht aufzutreiben sind, liegt eben am „Geheimen“.

Für die Zeit des „Kalten Krieges“ sind die USA-gesteuerten „NATO-Geheimarmeen“ (nach dem italienischen Teil „Gladio“ genannt), die der Steuerung der Politik in den westeuropäischen Ländern dienten, und dabei der „Strategie der Spannung“ folgten (8), ein recht gut aufgearbeitetes und dokumentiertes Kapitel (wie zum Beispiel vom Schweizer Historiker Daniele Ganser – http://www.danieleganser.ch/), das bald nach dem Krieg begann (9). Es wird aber in Deutschland mit wenigen Ausnahmen wie dem verstorbenen SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer (10) von den Politikern weiter totgeschwiegen wird. Helmut Schmidt hat dieses nur sanft angedeutet (11). Praktisch alle hochrangigen Politiker der bundesrepublikanischen Parteien haben von diesem Spiel gewusst, es mitgemacht, geduldet oder aus eigenen Sicherheitsinteressen dazu geschwiegen.

Es hat keinen Sinn, die Augen zu verschließen

Die mit dem Namen Gladio apostrophierten Strukturen „leben“, daran scheint ein Zweifel ausgeschlossen (12). Die Machtelite der USA hat nach dem Ende des kalten Krieges angesichts der Wiedervereinigung Deutschlands und der „Öffnung“ Osteuropas sicher genauso wenig daran gedacht, diese Strukturen aufzulösen, wie sie ein Interesse daran hatte, dem Beispiel des Warschauer Paktes folgend etwa die NATO aufzulösen. Gerade das vereinigte Deutschland ist mit Sicherheit das Ziel solcher Operationen, denn es galt und gilt, die „Krauts“ unter Kontrolle zu halten, sie vom Echo auch eines misslungen Sozialismus´ fernzuhalten, sie nicht „übermütig“ werden zu lassen, oder sie gar zum Kristallisationskern europäischer Unabhängigkeitsgelüste „verkommen“ zu lassen. Sicher nicht wirklich zur Freude des deutschen Kapitals und der sie vertretenden Politik, die sich der Interessenunterschiede zum „großen Bruder“ zunehmend bewusst wurden. Sie wollen diesen Sumpf ganz gerne loswerden, aber die altgedienten deutschen Politiker sind in ihrer gewandelten Rolle nun auch ungefähr in der Rolle des Richter Adam, der gegen sich selbst ermitteln müsste, zumindest gegen seine Rolle als Dulder des Unwesens (13).

Als Bürger mit demokratischen Ambitionen, die die Aussage „alle Gewalt soll vom Volke ausgehen“ ernst nehmen, sind wir aber gezwungen, das Puzzle zusammenzusetzen. Wir sollten den Zusammenhang sehen zwischen den Waffen- und Sprengstofffunden vom Beginn des letzten Jahres (14) und diesem Agieren eines Geheimdienstes innerhalb des Geheimdienstes. Wir müssen bohrende Fragen stellen und unsere Abgeordneten zwingen, dieses auch zu tun. Schluss damit, sich als „Michel“ die Mütze über die Augen zu ziehen oder sich dieselben zuzuhalten! Tragen wir dazu bei, dass Schreddern von Informationen nicht mehr geduldet wird, sondern dass die Gladio-Strukturen geschreddert werden! Sonst haben wir es mit dem von Breschnew formulierten Konzept der „eingeschränkten Souveränität“ zu tun.

Andreas Schlüter

0) http://www.rtdeutsch.com/22161/inland/nsu-prozess-nutzte-beamter-und-v-mann-fuehrer-des-verfassungsschutzes-die-tatwaffe/

1) http://www.berliner-zeitung.de/neonazi-terror/nsu-untersuchung-bouffier-keilt-zurueck,11151296,16533886.html

2) http://www.welt.de/politik/deutschland/article13744140/US-Agenten-sollen-Polizistenmord-beobachtet-haben.html

3) http://www.spiegel.de/panorama/nsu-eltern-von-uwe-boehnhardt-beschuldigen-verfassungsschutz-a-840391.html

4) http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/neonazi-akten-schreddermann-11804223.html?selectedTab=comments

5) http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/nsu-ermittlungen-zwickauer-trio-arbeitete-verfassungsschutz-nicht-zu-11809965.html

6) http://www.sueddeutsche.de/politik/neonazi-untersuchungsausschuss-nsu-terroristen-arbeiteten-nicht-fuer-geheimdienst-1.1402063

7) http://www.sueddeutsche.de/politik/aktenvernichtung-beim-verfassungsschutz-geheimdienst-im-verhoer-1.1402128

8) http://edvan.fadeout.ch/ref/?customerId=30&channelId=43

9) https://www.antifainfoblatt.de/artikel/geheimdienste-und-antikommunistische-%C2%BBpartisanen%C2%AB-der-brd

10) http://www.youtube.com/watch?v=_tSgbtjRaqw

11) http://www.zeit.de/2007/36/Interview-Helmut-Schmidt/seite-7

12) https://wipokuli.wordpress.com/2011/11/12/%e2%80%9egladio-eine-%e2%80%9euntote-organisation/

13) https://wipokuli.wordpress.com/2011/11/18/richter-adam-nachdenkliches-zum-hintergrund-der-zwickauer-zelle/

14) https://wipokuli.wordpress.com/2011/02/14/nachschlag-zu-waren-wir-die-guten-pulver-kurt-nur-ein-spinner/

Hier gibt es viel Interessantes zum Thema:

NSU & Tiefer Staat: https://machtelite.wordpress.com/2013/04/15/ard-hinterfragt-tiefen-staat-im-nsu-komplex/

http://www.medienanalyse-international.de/index1.html

Kommentare
  1. orthopedic sagt:

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  2. […] wird in Atem gehalten: „Islamistischer_Terror“, ein jahrelanger Rechts-Terror durch den „NSU“ und mysteriöse Mordfälle, die scheinbar nichts damit zu tun haben. Flapsig – was sich hier […]

  3. […] „Verfassungsschutz“ und „NSU“: Der Skandal, der nicht begriffen werden soll […]

  4. […] Eine komplette Kopie des hochinteressanten Artikels von Andreas Schlüter. […]

  5. Ich hoffe ich diene der Sache, wenn ich Ihren Artikel 1:1 kopiere und weiter verbreite

  6. Ich schreib einfach mal dem amerikanischen Geheimdienst. #nsa #prism

    Als ich das Profil eines mich bei Google+ einkreisenden untersuchte, stieß ich auf sein Blog Magitek. Und dort gleich auf den aktuellsten Eintrag. Ein sehr interessanter Beitrag! Gemäß US-amerikan…

  7. […] „Verfassungsschutz“ und „NSU“: Der Skandal, der nicht begriffen werden soll […]

  8. […] (die fraglos weiter bestehen), werden allzu gründlich ignoriert und nicht bekämpft (https://wipokuli.wordpress.com/2012/07/05/verfassungsschutz-und-nsu-der-skandal-der-nicht-begriffen-w…). Die deutsche Politik, in Teilen zaghaft willens, sich ein wenig aus der Transatlantischen […]

  9. Schlüter sagt:

    Das ist ja ein Problem, dass allzu viele in meiner Partei (DIE LINKE) sich scheuen, die Fragen zu stellen, die dem „tiefen Staat“ (so wird das „Gladio“-Unwesen in der Türkei genannt) auf die Spur kommen könnten! Die Sorge, sich vom kommerz-medialen Mainstream allzu weit zu entfernen, ist beträchtlich. Es ist auch Unwissenheit im Spiel, aber bei bestimmten GenossInnen ist wohl eher die Sorge entscheidend, endgültig nicht das begehrte Etikett „koalitions- und regierungsfähig“ ergattern zu können.
    Schönes Wochenende
    Andreas Schlüter

  10. Xaver sagt:

    Von CSU bis Grüne erwartet man ja nichts anderes, als dass sie nicht zur Aufklärung beitragen, denn schließlich hat Rot-Grün nicht nur den aktenschreddernden Fromm ins Amt gehievt, sondern alle Parteien haben mal die Verantwortung für diesen Augiasstall getragen. Und wer pinkelt sich schon gerne schon selbst ans Bein? Aber anstatt dass DIE LINKE da eine investigative Ulla Jelpke hinschickt, kommen die ausgerechnet auf Petra Pau, die sich erst einmal selbst durch den eigenen Amtsschimmel hindurch den Weg zur Tür bahnen muss. Heute hat der Ausschussvorsitzende allen Ernstes auch in Petra Paus Namen – scheint ja so eine Konsenssoße zu sein – erklärt, der zuvor artikulierte Verdacht, dass der Verfassung ggf. eine Frau angeworben hat, deren Profil exakt mit Beate Zschäpe übereinstimmt, sei unisono Null und Nichtig. Wozu braucht es da noch eine Petra Pau? Sie twittert ja täglich, sie läse Akten und Akten, auch zu Unzeiten, sie sollte sich mal weniger mit Trash (hat System) zumüllen lassen, sondern bohrend nachfragen und an einem Tag wie heute, an dem die Nachrichten mit dem Thema aufmachen eine ordentlich gepfefferte Erklärung an die Medien raushauen. Aber: KEINE SPUR, nichts, nicht einmal ein O-Ton mit einem abweichenden Statemant, vermutlich tut sie wieder so, als läse sie gerade Akten …. Potzblitz!

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