Man sollte bei allen Querelen in meiner Partei denken, was uns grundsätzlich einte, sei die Überzeugung, dass Kapitalismus, Imperialismus und Rassismus dem Wohl der Welt, dem Wohl dieses Landes und der Gesellschaft abträglich seien. Man sollte meinen, dass neben der Auseinandersetzung, wie eine gerechtere, eine sozialistische Gesellschaft, die letztlich auch Vorrausetzung wirklicher Demokratie ist, zu erreichen sei, der Kampf gegen Rassismus, Chauvinismus und Antisemitismus eine wichtige Rolle spielen würde. Dazu muss man die Vertreter solcher gefährlichen Verirrungen in Politik und Gesellschaft identifizieren und sie zur politischen (oder ggf. juristischen) Verantwortung ziehen.
Falsche Anschuldigungen bagatellisieren reale Probleme
Übrigens ist natürlich auch männliche Gewalt Frauen gegenüber ein Punkt, an dem Linke keinen Spaß verstehen sollten. Und dieses trübe Feld gibt auch ein Paradebeispiel dafür, wie unglaublich gefährlich und kontraproduktiv falsche Anschuldigungen sind. Sie bagatellisieren das in der Tat Menschen immer wieder in großes Leid stürzende Verbrechen. Jüngste Fälle geben zum Grübeln Anlass. Eine falsche Anschuldigung hilft wirklichen Tätern, ihre Schuld, auch, wenn sie nachgewiesen ist, in Frage zu stellen und Zweifel in der Gesellschaft zu nähren, ob das Problem nicht vielleicht nur ein mediales ist.
Die gefährliche Neigung zur Relativierung
Ein fraglos immer noch existierendes Problem ist neben dem zunehmend „hoffähig“ werdenden Antisemitismus gegen die Mehrheit der Semiten, die Araber, auch immer noch latenter Antijudaismus bei Enkeln der damaligen Tätergeneration deutscher Verbrechen. Gesellschaftliche Relativierungstendenzen, die nicht darauf abzielen, die heutige Welt auf Scheußlichkeiten gegen Menschen zu überprüfen, wie es die Pflicht jedes sich „links“ verstehenden Menschen ist, sondern die moralische und geschichtliche Verantwortung dieses Landes „herunterzustufen“ nach dem Motto: „die anderen sind ja auch nicht besser!“. Diese Neigung greift dann auch gerne verschwiemelte Vorstellungen von der „Weltherrschaft der Juden“ in verschiedenen Kaschierungen auf. Ja, keine Frage, gesellschaftlich ist diese durch die früheren Jahrzehnte vom deutschen Kapital gepflegte „Entlastungslüge“ noch nicht ausgestorben. Die Mehrzahl der angelsächsischen weißen und protestantischen US-Kapitalisten hat diese „Weltdeutung“ auch nicht ungern. Und gerne lassen sie es so erscheinen, dass Israel die US-Politik bestimmen würde, lassen „den Schwanz mit dem Hund wedeln“. Dabei war es die von der Wirtschaftsmacht gesteuerte US-Politik, die doch eigentlich gezielt Israel zu ihrem „unsinkbaren Flugzeugträger“ im östlichen Mittelmeer gemacht hat, um die Erdölregion in Schach zu halten.
Haltet den Dieb!
„Haltet den Dieb!“, ruft gerne derselbe, um die Verfolger von sich ab in eine andere Richtung zu lenken. “Dieser Antisemitismus ist im unter Wasser treibenden Eisberg des Restsozialismus erhalten. Der betrifft ganze Heerscharen von Trägern des ehemaligen DDR-Systems. Ohne sie kann die Linkspartei nicht existieren”, behauptet der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Arnold Vaatz in der “Mitteldeutschen Zeitung”. So erklärt einer der politischen Helfer des Kapitals Antisemitismus und indirekt latenten Faschismus damit wesentlich zu einem „linken“ Phänomen. Wär´s nicht so gefährlich, könnte man nur amüsiert staunen ob solcher dummdreisten Unverfrorenheit! Da freut sich auch der vom Opa noch leicht infizierte verkappte Deutsch-Nationale, dass dieser menschenverachtende Mist kein rechtes, sondern ein „linkes“ Phänomen sei.
Zum imperialistischen Brückenkopf konditioniert
Nachdem die US-Politik alles getan hat, um Israel auf den Weg des brutalen Sachwalters westlicher Kapitalinteressen zu bringen, alles getan hat, es zur bedrohlichen Kreuzritter-Festung im Nahen Osten zu machen, die nicht den Vorgaben des Völkerrechts und der UN folgt, und einen palästinensischen Staat entstehen ließe, sondern diesen nach Kräften verhindert, ist die Umgebung natürlich entsprechend „freundlich“ gesinnt. Das hilft, entgegen jeder militärischen Logik des von 200 bis 300 Atomsprengköpfen strotzenden Staates, diesen als permanent bedroht darzustellen und bei unbedarften Jüdinnen und Juden Bedrohungsängste um „ihren“ Staat zu erzeugen. Dabei wird gerne verschwiegen, dass keineswegs alle Menschen jüdischer Abstammung Israel als „ihren“ Staat betrachten und nicht wenige Menschen in Israel dessen Politik sehr kritisch sehen. Wie dem auch immer sei, geschichtliche Traumata lassen sich hervorragend instrumentalisieren. Das es natürlich langfristig im Existenzinteresse Israels sein muss, mit seiner Umgebung zu einem gesunden nachbarschaftlichen Verhältnis zu kommen, ist dann eher von einer abgeklärteren historisch bewussten Sicht aus zugänglich. Diese langfristige notwendige Entwicklung wird aber von den Scharfmachern sehenden Auges untergraben, ihnen sind die Interessen eines Landes grundsätzlich nur gegen die Interessen anderer Länder und Gesellschaften zu verfolgen.
Was schert es sie
Das alles interessiert aber in der Tat diejenigen nicht, die die einzige zahlenmäßig bedeutende Partei in Deutschland, die zu Recht glaubt, dass die Probleme dieser Welt, dieses Kontinents und dieses Landes nicht auf der Grundlage von Eigennutz und Profitinteresse zu lösen seien, entweder kastrieren oder zerstören wollen. Da sind natürlich zuerst einmal die zunehmend von den Resten des deutschen Sozialstaates befreiten Kapitaleigner, im Neoliberalismus schwelgend. Die Handlanger des Kapitals, CDU und FDP, hassen DIE LINKE natürlich aus Prinzip. Die zum pseudosozialen Feigenblatt verkommenen SPD und die Oliv-Grünen hassen DIE LINKE als Spiegel dessen, was eigentlich nötig wäre, wovon sie sich aber längst als Handlanger des Imperiums verabschiedet haben. Sie sind zur Verfemung oder Domestizierung dieser ihren Interessen gefährlichen Kraft wild entschlossen. Da ist im orwellschen Zeitalter mit Unterstützung des Kommerz-medialen Mainstreams auch kein „Schwindel“ abgefahren genug, um nicht erprobt zu werden. Und nachdem sich der „Stalinismus-Vorwurf“ mit Vorsitzenden wie Oskar Lafontaine, Lothar Bisky, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst selbst dem „geneigten“ Publikum nicht glaubwürdig verkaufen ließ, muss was Anderes her, nämlich der angebliche „Antisemitismus“ dieser Partei.
Hassliebe
Aber auch wir haben in unseren Reihen und in unseren „Rängen“ nur Menschen. Gehasst zu werden ist nicht sehr schön, zumal, wenn man die Dinge nicht so klar sieht, dass es einem zur Ehre gereichen würde, von bestimmten Leuten gehasst zu werden. Auch möchten nicht ganz wenige es doch noch zu was bringen, nicht nur zu mäßig bezahlten Parteiämtern oder besser honorierten Parlamentssitzen, die man auch nicht durch Schmutzkampagnen verlieren möchte. Staatsämter sind schon was Feines, dabei spielt es für Manchen eine untergeordnete Rolle, ob man die Gesellschaft wirklich nach moralischen Grundsätzen verbessern kann. Es gibt auch nicht Wenige, die den Charakter gesellschaftlicher Auseinandersetzungen vergessen haben. Die nicht mehr begreifen, dass nicht nur in Staatsämtern Veränderungen zu erreichen sind, sondern gesellschaftlicher Druck oder andere Faktoren viel bewirken können. Hat nicht damals selbst eine in sich nicht sehr sympathische „Systemalternative“ in Form des Ostblocks das westdeutsche Kapital manchmal „handzahm“ agieren lassen? Sie haben vergessen, dass das Kapital eben auf „Drohkulissen“, wenn sie denn ernst gemeint sind, reagiert. Es gibt eben Menschen in unserer Partei, die lieber als machtlose „Juniorpartner“ in Koalitionen notfalls Scheinverbesserungen verkaufen, als ohne Amt eben die Drohkulisse zu geben.
Koalitions- und Regierungsfähigkeit
Wer nun also so „tickt“, braucht zum „einzig möglichen Weg“ das Etikett des Mainstreams, einer „ganz normalen Partei“ anzugehören, damit man wenigstens ein wenig „bauch-links“ agieren oder sich zumindest verkaufen kann. Man muss „angekommen sein“. Man braucht den Stempel „koalitions- und regierungsfähig“, egal, wer den verleiht. Aber, so ist es wohl, viele bei uns wollen nicht von der „Systemfrage“ ablassen, da Klima-Katastrophe, Elend der „Dritten Welt“, imperiale Kriege, Sozialabbau, Lohndrückerei, Ausgrenzung und Kinderarmut diese erzwingen. Da muss man wohl die Partei verändern. Man muss allen diesen Mitgliedern klar machen: wir kommen nirgendswo hin, wenn wir nicht ablassen von Antiimperialismus, nicht ablassen von ernstgemeintem Antikapitalismus, wenn wir nicht ablassen von konsequenter Antikriegshaltung etc. Also stößt man mit in das Horn derjenigen, die uns attackieren. Man will „der Partei“ klarmachen, „kehrt um von Eurem verderblichen Weg!“, „kommt an im bundesdeutschen Politeinerlei!“. Da ist das Wort von der „Staatsraison“ nicht ganz ungefährlich.
Was, wenn nicht?
Ja, aber vielleicht wollen viele Mitglieder nicht wirklich ablassen? Vielleicht fehlt zu vielen der „Sinn für politischen Realismus“? Vielleicht wollen sie keine „Realos“ werden, sich nicht auf den „Weg in Normalität“ mitnehmen lassen, wie es weiland bei SPD und Grünen gelang? Vielleicht wollen sie nicht den konsequenten Anti-Kriegskurs verlassen. Vielleicht wollen sie sich mit ihrer berechtigten Israelkritik, mit ihrer nötigen Solidarität mit den berechtigten Forderungen der Palästinenser nach einem lebensfähigen Staat, bestehend aus dem Gaza-Streifen, der Westbank und Ostjerusalem, und last not least mit ihrer unabdingbaren Solidarität mit linken Jüdinnen und Juden, die sich dem Einverleibungsanspruch in Hardcore-Zionismus wütend verweigern, nicht demütig als „Antisemiten“ beschimpfen lassen. Vielleicht wollen sie nicht zugeben, dass „sich die Sonne um die Erde dreht“?
Vielleicht wollen sie, dass Schluss ist mit der dreckigen Diffamierung. „Doch es gibt auch einen anderen Flügel der Partei. So setzen sich Politiker wie Petra Pau, Dagmar Enkelmann, Dietmar Bartsch oder Bodo Ramelow laut „Spiegel“ dafür ein, dass die Debatte um Antisemitismus ein Ende findet“, schreibt A. Wirth in „Israel-Netz“ ( http://www.israelnetz.com/themen/aussenpolitik/artikel-aussenpolitik/datum/2011/06/20/graumann-antisemitismus-hat-laengst-begonnen/), was bei denen wohl nur meinen kann, dass wir zustimmen sollen und seufzen: „ja, wir sind dreckige kleine Antisemiten, aber wir geloben Besserung“. Nein, wir sind ganz bestimmt keine Antisemiten, weder von dumpfen Gefühlen gegen Araber noch gegen Juden gesteuert. Aber ihr, die ihr mit diesen falschen Anschuldigungen herumspielt, versucht, die Shoa zu instrumentalisieren, die ihr leichtfertig durch falsche Anschuldigungen wirklichen Antisemitismus bagatellisiert, ihr agiert letzten Endes als Antisemiten!
Schleudersitz
Nun hat auch der „Genosse“ Bartsch sich wieder zu Wort gemeldet. Er sekundiert dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Graumann, ausdrücklich (»geradezu pathologischer, blindwütiger Israel-Haß« in Teilen der Linken), in dem er unserer Partei die angebliche Berechtigung der Vorhaltungen nahezubringen versucht, wie die „Junge Welt“ ausführlich berichtet (http://www.jungewelt.de/2011/06-22/043.php).
Will er nur Gesine Lötzsch und Klaus Ernst das Leben schwerer machen? Man fragt sich vielmehr weiter, glaubt er sich dem geneigten Publikum als Dompteur der LINKEn verkaufen zu können, quasi als „Roter Joschka“, oder ist er dabei, den „Schily“ zu machen. Will er sich den Oliv-Grünen oder der SPD als „Kronzeugen“ und prominenten „Übersiedler“ andienen? Sei´s drum!
Andreas Schlüter