Archiv für Dezember, 2010
Prinzip der Besatzung
Veröffentlicht: Dezember 28, 2010 in Kunst, PolitikSchlagwörter:Besatzung, Naher Osten, Poltik
Schlagwort: Europäische Werte
Veröffentlicht: Dezember 27, 2010 in PolitikSchlagwörter:Europa, Europäische Werte, Politik
Gerne schmückt sich das politische Establishment dieses Landes in der Rechtfertigung seiner und der EU sowie der USA (Wertegemeinschaft!) weltpolitischer Handlungen mit der angeblichen Förderung und Etablierung der vielfach zitierten ”europäischen Werte”. Da zieht ein goldener Nebel auf, der schon aus dem alten Athen hervorgekrochen scheint.
Keine Frage, das alte Athen war ein von freien Männern des Handels und des Krieges regiertes politisches Gebilde, das von der Auffassung profitierte, die Herrschenden könnten sich untereinander fair einigen, um alle anderen besser im Griff zu halten. Dass das zu interessanten Techniken der Konfliktbewältigung unter den Teilnehmern an dieser Struktur geführt hat, ist unstreitig. Über ähnliche Praktiken verfügten viele traditionelle afrikanische Gemeinschaften ebenso – bis sie vom europäischen Kolonialismus zerstört wurden.
Lange profilierte sich Europa dann durch die Zerstörung von ganzen Kontinenten (ihrer eigenen Bewohner), so der beiden Amerikas, Australiens und – fast – Afrikas. Opiumkrieg der Engländer gegen den chinesischen Versuch, sich drogenfrei zu halten, die übrigen Kolonialkriege, alles im Namen der Freiheit, der Freiheit des Handels und des Stärkeren.
Auch jetzt geht es um Wert, um ”Mehrwert”, dazu müssen Demokratie und Eigenständigkeit ausgehebelt werden, denn nur so ist die Freiheit des Kapitals in seiner Bewegung zu gewährleisten. Und hier in Deutschland bei Ausgrenzung von Nichteuropäern und dem neuen Antisemitismus (die Mehrzahl der Semiten sind die Araber) scheint der Begriff eine verschämte Umschreibung für “die guten alten Deutschen Werte”.
Andreas Schlüter
Zeitreise (über den Roman „a Man of the People“ von Chinua Achebe)
Veröffentlicht: Dezember 26, 2010 in Literatur, PolitikSchlagwörter:Afrika, Chinua Achebe, Korruption, Neokolonialismus, Nigeria, Roman, Unabhängigkeit, Verführung
Endlich habe ich es wiedergefunden, im Studentenzimmer meines Sohnes, eines meiner Lieblingsbücher, “A Man of the People“ von Chinua Achebe!
Es wird das fünfte Mal gewesen sein, dass ich es jetzt gelesen habe und wohl kaum das letzte Mal. Zu tief zieht dieses Buch mich in die Zeit zurück, als dass es seine Faszination verlieren könnte.
Über zwanzig Jahre dürfte es her sein, dass ein Freund aus Ghana es mir zum Geburtstag schenkte, aber es geleitet mich viel weiter zurück, in die Zeit, als ich Ende der Sechziger in Hamburg mein Studium begann und alsbald in die sich ausdehnende afrikanische Gemeinschaft integriert wurde. Heute mag dieser Ausdruck von der afrikanischen Gemeinschaft befremden, doch unter den Studenten gab es sie damals, als noch nicht fast jedes afrikanische Land so viele Vertreter in Hamburg hatte, dass man noch nicht einmal seine Landsleute dort kennen konnte.
Aber zunächst zurück zum Buch, dass ich hier besinge. Bescheiden auf knapp eineinhalb Hundert Seiten kommt die Novelle der “African Writers Series“ von Heinemann daher, auch, wenn sie mit einem Blick auf den imposanten Bösewicht des Buches, den ehrenwerten Minister Chief M. A. Nanga beginnt, den “zugänglichsten Politiker des Landes“ Nigeria.
Diesen jovialen und schillernden Minister hat der Ich-Erzähler, Odili Samalu, in der Schule als Lehrer gehabt, an der er nun selbst unterrichtet, der Anata Grammar School. Dort wird ein Besuch des großen Mannes mit viel Pomp und Kriecherei vorbereitet und mit gewaltigem Getöse der örtlichen Jägergilde, die etwas anders vorzustellen ist, als ein deutscher Schützenverein, zelebriert, wenige Jahre nach der Unabhängigkeit Nigerias.
Von vielen Entwicklungen im neuen Staat mit seinen hohen Erwartungen an die Unabhängigkeit bereits nicht wenig verunsichert und ein mittlerweile reservierter Beobachter, kann sich der junge Lehrer, der anders als viele seiner Kollegen ein Universitätsstudium absolviert hat, dann aber der Verführung des Augenblicks nicht entziehen. Als sein nun so prominent gewordener eigener Lehrer sich seiner erinnert und ihn plötzlich in das Scheinwerferlicht zieht, um ihn wie einen alten Freund zu behandeln und schließlich in die Hauptstadt einzuladen, eine Zeit im Gästebereich seines imposanten Hauses zu verbringen, ist er eigentlich Feuer und Flamme.
Wundervoll die schlichte Sprache der auf Englisch geschriebenen Geschichte, auch, wenn sich die im Pidgin gehaltenen wörtlichen Einschübe nicht alle voll erschließen.
Was mich so in den Bann zieht, ist die Vertraulichkeit, die Achebe so spielend mit dem Leser herstellt. Ohne in eine offenherzige Geschwätzigkeit zu verfallen, bringt er den Leser seinem Helden, der fraglos in erster Linie er selbst ist, nahe. Er stellt seine Gefühle sowie die allgemeine Situation so plastisch dar, dass man in seine Haut zu schlüpfen meint! Zu diesem Aspekt aber später mehr.
Unser junger Lehrer, der übrigens gerne seine Studien in England weitertreiben möchte, macht nun in seinen Ferien Gebrauch von dieser Einladung, nicht zuletzt, um seiner Freundin Elsie, einer Krankenschwester, einen komfortablen Unterschlupf für eine erhoffte gemeinsame Liebeszeit bieten zu können. Aber er macht die Rechnung ohne den Wirt, der ihn leider durch großmännischen Donjuanismus zu einer Darstellung seiner Beziehung als von einer gewissen Beliebigkeit verleitet.
Die erste Zeit verbringt Odili allein im Hause des großen Mannes, dessen Korruptheit der Held an vielen Beispielen sieht, sich aber zum stillen Beobachter machen lässt, dessen moralische Stimme durch Vertraulichkeit erstickt wird. Ähnlich “großartig“ wie seine Korruptheit zeigt sich auch Chief Nangas Inkompetenz, noch “still vergnügt“ von Odili registriert.
Minister Nanga, dessen Frau mit seinen Kindern einen Besuch in ihrem Heimatdorf durchführt, sollte eigentlich durch eine Freundin Elsies ein wenig “aufgeheitert“ werden, die aber erkrankt und Odili, seine Freundin und der joviale Minister fahren zu dritt in das Anwesen, wo Nanga Elsie im Schlafraum seiner Frau einquartiert. Odilis Selbstberuhigung, der täte das, um Elsie vor dem Fahrer Peinlichkeiten zu ersparen, erweist sich bald als trügerisch, denn anstatt, dass Lehrer Samalu seine Freundin heimlich in sein Gästezimmer lotsen kann, muss der junge Mann mit brennendem Herzen feststellen, dass Chief Nanga Elsie nicht nur das Zimmer seiner Frau zur Verfügung stellt, sondern auch sich selbst! Und, zu seinem tiefen Schmerz muss er auch hören, dass Elsie seinen eigenen Namen nicht aus Hilfsbedürftigkeit, sondern orgiastischer Gewohnheit schreit!
Mit enormer Meisterschaft schafft Achebe es, dass man sich wie Odili fühlt. In einem wütenden Auftritt muss sich der Arme vom Chief auch noch die Schuld für das Geschehen zuschieben lassen! Wer würde nicht auf Rache brennen!
Die Gelegenheit scheint sich in mehrfacher Hinsicht zu bieten. Ein alter Freund Odilis namens Max, Anwalt und ebenso von Korruption, die der Gehörnte nun auch wieder deutlich sieht, angewidert, ist dabei, mit Freunden und von östlichen Geldgebern unterstützt, eine neue Partei aufzubauen, die bei den Parlamentswahlen Nangas Verein Feuer machen soll. In seinem Wahlbezirk wird Odili Nanga als Kandidat entgegentreten.
Noch delikater aber, Lehrer Samalu hat durch die Frau Nangas, die ihn von seinem ersten Besuch her als Freund der Familie sieht, Kontakt zu einem jungen Mädchen, Edna, aufnehmen können, sie ist als Zweitfrau des großen Mannes vorgesehen. Ist es verwunderlich, dass unser Held an eine doppelte Rache denkt?
Nun, die Sache mit Edna erweist sich naturgemäß als kompliziert und sperrig, dafür entwickelt sich der politische Rachefeldzug vielversprechend. Selbst sein Vater, mit dem es viele Probleme gibt und der ein Parteigänger Nangas ist, unterstützt de facto Odilis Engagement.
Allerdings muss Odili feststellen, dass es auch in der eigenen neuen Partei bald zu einigen bedenklichen Entwicklungen kommt. Aber angesichts der subtilen wie offenen Gewalt, mit der sie sehr schnell behandelt werden, tritt dies in den Hintergrund.
Dann macht Odili aber einen lebensgefährlichen Fehler! Er besucht inkognito eine Wahlveranstaltung seines Erzfeindes, der ihn dort entlarvt und schließlich der Brutalität seiner Meute von gekauften Speichelleckern ausliefert. Schwerverletzt erwacht Odili am Wahltag im Krankenhaus. Es ist zu spät, an der Wahl teilzunehmen.
Sein Freund Max ist von Parteischlägern in Gegenwart eines Parteifreundes und Ministerkollegen Nangas, Chief Koko, mit dem Auto umgebracht worden, worauf Max´ Freundin Chief Koko erschossen hat. Schwer ist das Schicksal über die jungen Idealisten hergefallen!
Aber die alten Bösewichte triumphieren nicht im Erfolg, denn neue Hungrige greifen nach der Macht und ein Militärputsch bringt sie um ihre so skrupellos festgehaltenen Pfründe. Und auch Odilis persönliches Elend wendet sich. Edna erkennt im letzten Moment den Wert des jungen Mannes und er erobert ihr Herz!
Nicht ohne Ironie ist die Ankündigung des Ich-Erzählers, er würde die Kosten für die Heirat von den in seiner Hand verbliebenen Parteimitteln leihen, die wegen des Putsches nicht so schnell benötigt würden. Es gelingt Achebe auch hier meisterhaft, die Verirrungen der Korruption durchsichtig und das Hinübergleiten in diese Verhaltensweisen menschlich zu machen, womit er uns einen tiefen Einblick in die Fallstricke des “Nation Building“ gibt.
Ganz ungeheuer dicht ist diese Erzählung durch ihre Erzählerperson. Auf ein glaubwürdige gesponnenes Szenario hat Achebe sich selbst reagieren lassen und diese Reaktionen penibel beschrieben. Er hat nicht nur die realen Konflikte exemplarisch beschrieben, sondern auch die junge intellektuelle antikoloniale Persönlichkeit zu individuellem greifbaren Leben erstehen lassen, hat in sie hineinschauen lassen!
Was aber macht mir dieses Buch so sehr zur Zeitmaschine? Nun, es war eben die Zeit meines Studienbeginns an der Universität Hamburg, wo ich das Glück hatte, eine ganze Reihe optimistischer und idealistischer junger Menschen aus diversen afrikanischen Ländern kennen zu lernen, die mir so freundlich Einblick in ihre Person gewährten. Was ich entdeckte, war eine mir höchst verwandte Sehnsucht und Stimmungslage. Ich hatte das Glück, soviel über Kindheit und Jugend meiner Freunde zu erfahren, dass sich mir viel vom Leben in der Endphase der Kolonialzeit wie der frühen Zeit in den neu entstandenen Staaten erschloss. Ich kann es nicht anders ausdrücken, diese Gemeinschaft wurde das Umfeld, das mir den Prägestempel eines Zugehörigkeitsgefühls aufdrückte, das mich in meinem weiteren, nun sechsundfünfzig Jahre währenden Leben nicht mehr verlassen sollte.
Im Rückblick kann ich umso vehementer die einzigartige “zeichnerische“ Begabung, die dieses Buch mit seiner überzeugenden Geschichte geschaffen hat, preisen und feststellen, dass Nigeria über einen weiteren würdigen Kandidaten für den Literaturnobelpreis verfügt, der dem verdienten Preisträger Wole Soyinka mindestens ebenbürtig ist. Auch seine übrigen Romane, nicht zuletzt ein bewegender Reigen durch die Geschichte der Ibo-Gesellschaft von der Endphase der Eigenständigkeit bis zum Ende des offiziellen Kolonialismus´, halten das Versprechen dieses Buches, auch wenn aus verständlichen Gründen nicht die Innensicht der Hauptperson erreicht werden kann, wie in diesem Roman. Hier erlebt der Autor direkt in der Gestalt des jungen Helden.
Dreieinhalb Jahrzehnte liegt diese Jugendzeit, in die dieses Buch mich zurückführt, nun zurück und Afrika zeigt ein grauenvolles Bild, das die in “A Man of the People“ gezeichnete Atmosphäre fast als Idylle erscheinen lässt. Dennoch ist diese heutige Wirklichkeit im Buch bereits angelegt. Das Werben von ausländischen Firmen und Einflussagenten, Korruption und Militärputsch, alles ist schon da, wenn auch leutseliger. Aber entscheidend ist die angelegte Gewalt, die von bärbeißigen Leibwächtern und wildgewordenen Fans größenwahnsinniger Polit-Clowns, denen westliche Interessenten die Machtmittel an die Hand geben, über eine brutale Soldateska, die ihre Verhaltensweisen aus den Kolonialarmeen übernommen hat, schließlich fast folgerichtig zu gedopten Kindersoldaten führt!
Und nun stehen die Kräfte, die in der Vergangenheit die Übel zielstrebig gefördert haben, gierigen Blicks auf Uran, Gold, Kupfer, Diamanten und Coltan schauend, bereit, auf Hilferufe aus der Hölle hin “die Dinge in Ordnung“ zu bringen!
Allüberall in Afrika möchten sie die Konflikte so “effektiv“ handhaben, wie sie zum Beispiel den Nahostkonflikt verwalten. Lösen ist nichts, dabei sein ist alles!
Rührend, das Engagement, das mitfühlende und gutherzige Europäer aus Kunst und Kultur für humanitäre Maßnahmen aufbringen. Denen, die bereits in der Hölle aus Bürgerkrieg und AIDS aufs schwerste gelitten haben, können sie nur Gutes tun. Aber wehe, wir würden glauben, dies brächte die Lösung!
Mindestens genauso wichtig ist es, gnadenlos die Machenschaften von Reichen und Mächtigen aus den “Gewehr bei Fuß zur Hilfe bereit stehenden“ Staaten anzuprangern, die Haifischkapitalisten, die bluttriefende Diamanten gegen neues Schießwerkzeug eintauschen, zu entlarven und last not least die verlogenen WTO-Bürokraten aus den reichen Ländern, die von Globalisierung schwätzen, wo es ihnen nützt und gleichzeitig jede eigene bäuerliche Wählerstimme damit umwerben, dass sie den Bauern der “Dritten Welt“ nicht gestatten, ihre Produkte wettbewerbsfähig bei sich zu verkaufen, auf die Füße zu treten. Vielleicht tun manche rabiaten Demonstranten von ATTAC doch mehr für Afrika als Herbert Grönemeier!
Wir müssen gegen einen neuen “Vietnamkrieg“ protestieren, einen, der nicht nur von einer wildgewordenen Militärmaschinerie im nahen und mittleren Osten ausgefochten wird, um den Preis eines in den Wahnsinn gesteigerten Terrorismus, gegen einen Krieg, der von der Gier nach immer mehr und immer Neuem von großen Teilen unserer Wirtschaftsgesellschaft in vielen Teilen der Welt, gerade in Afrika, gefochten wird, den indirekt leider viele Menschen, die es nicht ahnen, mittragen.
Aber, wer die Erzählung mehrschichtig liest, der entdeckt auch etwas weiteres Erschröckliches! Lange haben recht seriöse westliche Politiker ihre Haifischkapitalisten in Afrika, Asien und Lateinamerika wüten lassen, in der Hoffnung, damit die sozialen Kompromisse im Inland, die sie aus Angst vor dem Kommunismus geschlossen hatten, finanzieren zu können. Nun reibe ich mir nicht ganz verdutzt die Augen, und stelle fest, beim Blick auf unsere eigenen Politiker, wir sind von Nangas regiert und “opponiert“!
Andreas Schlüter (geschrieben ca 2003)
Offene große Fragen der Humanevolution
Veröffentlicht: Dezember 24, 2010 in Politik, WissenschaftSchlagwörter:archaische Menschenformen, Chromosomenzahl, Evolution, Humanevolution, Kontaminierung der Wissenschaft, Mensch, Menschwerdung, Neandertaler, Out of Africa, Rassismus, Vermischung, Wissenschaft
Vorbemerkung
Wenn man fast ein halbes Jahrhundert lang gegen Rassismus kämpft und sich mit den verdrehten pseudowissenschaftlichen Argumenten der bösartigen Gegner auseinandersetzen muss, wird man recht tief in die Fragen der Genetik und Humanevolution eindringen. Wenn man sich außerdem mit den philosophischen Fragen des eigenen „Woher“ konfrontiert, wird dies umso intensiver geschehen. Daher hier einige Gedanken zu diesen Themen.
Wanderungen des Homo Sapiens: aus Wikipedia
Große Fortschritte
In den letzten Jahren hat die Evolutionsbiologie zu Fragen der Humanevolution ganz ungeheure Fortschritte gemacht. Dies sowohl durch weitere Funde wie durch weiterentwickelte naturwissenschaftliche Methoden (hier sei insbesondere die Verfeinerung der DNA-Gewinnung aus Fossilien sowie der DNA-Sequenzierung erwähnt). Als spektakuläre Etappen seien genannt „Homo Floresensis“, „Australopithecus Sediba“ und die Fortschritte in der Sequenzierung chromosomaler DNA des Neandertalers. Dabei sind aber auch Fragen wichtig, deren mögliche Antworten bisher nur über komplexe Konstruktionen und Hypothesen zu formulieren sind.
Der Schritt von den 48 Chromosomen der Großaffen zu den 46 Chromosomen beim Menschen
Aller Fortschritt bei der Gen-Sequenzierung fossiler Menschen- und Frühmenschenfunde lässt bisher kaum Schlüsse auf die Zahl der Chromosomenpaare bei frühen Hominiden und beim frühen Homo zu. Chromosomen-Mutationen haben aber ganz erhebliche Auswirkungen und dieser Schritt kann in seiner Bedeutung für die Humanentwicklung kaum überschätzt werden. Dabei spielen grundsätzliche Erwägungen für den Mechanismus von Mutationen in der Chromosomenzahl eine wesentliche Rolle.
Grundsätzliche Fragen der „Artbildung“
Jede Mutation in den Chromosomenzahlen (und diese Mutation ist ja immer individuell) steht vor einem speziellen Problem, nämlich dem Problem der Fortpflanzung. Zwar ist die Fortpflanzung zwischen Individuen mit unterschiedlichen Chromosomenzahlen in manchen Fällen möglich, die „Hybride“ sind aber in aller Regel steril. Damit wird die Mutation tendenziell zu einem „toten Ast“.
Das Problem stellt sich anders dar, wenn es in hoher Zahl zu dieser Mutation kommt und die Wahrscheinlichkeit groß wird, dass zwei Mutanten sich treffen. Unter welchen Umständen kann dieses „Mirakel“ geschehen?
Dieses könnte gefördert werden, wenn durch geografische Veränderungen (Wegfall von Barrieren) und Wanderungen zwei Unterarten (oder mehrere) aufeinandertreffen, deren genetische Differenz die Wahrscheinlichkeit dieser Chromosomen-Mutation bei den Hybriden enorm erhöht. Wenn diese Kreuzungen relativ häufig vorkommen sowie auch lebensfähig sind, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass die Mutanten unter den Hybriden (mit der Chromosomenmutation) aufeinandertreffen und sich fortpflanzen, relativ hoch. Dann würde sich aus diesen mutierten Hybriden eine stabile Population mit veränderter Chromosomenzahl bilden, wenn sie auch andere Überlebensvorteile haben. Diese Situation müsste ganz grundsätzlich am Beginn einer Veränderung der Chromosomenzahl stehen, so selbstverständlich auch in der Evolution des Menschen.
Dem sehr sinnfälligen Paradigma des Baumes in der Evolutionslehre fügt sich hier vor der Ausbildung einer Verästelung das Paradigma des Wurzelwerks hinzu. Dieses Paradigma – des Wurzelwerks – spielt in der frühen zellulären Entwicklung eine noch dramatischere Rolle (Einschluss fremder zellulärer Elemente, Mitochondrien u. a.). Überhaupt sollte diesem zusätzlichen Paradigma bei evolutionären Schüben ein erhebliches Augenmerk gelten. Ebenso bedeutsam kann ggf. auch der Transport von genetischem Material durch eingebaute virentransportierte DNA sein.
Hier vermisst man in den Veröffentlichungen für den Kreis wissenschaftlich interessierter Laien die Darstellung der Bedeutung dieser Fragen.
In der Tat wird im Wissenschaftskreis natürlich die Frage nach der Rolle der Hybridsierung in der Artentwicklung gestellt. Insbesondere ist hier Prof. Michael L. Arnold zu nennen. Die gründlichste Darstellung der Problematik scheint mir bei Algis Kuliukas (fraglos mit seiner Vorliebe für die „River Ape Theory“ zu den „Exoten“ der Branche gehörend) zu finden ( http://www.riverapes.com/Me/Work/HumanHybridizationTheorie.htm ). Die Darstellung der Problematik in „Discuss the potential Significance of Differences in hominid Chromosome Numbers in Human Evolution“ von 2001 durch ihn ist aber brillant, wenn er auch m. E. mit der Tendenz, den Sprung in der Chromosomenzahl (Chromosomen-Fusion) eher zum Zeitpunkt des Auftauchens von Homo Sapiens zu legen, falsch liegen dürfte.
Wann kam es in der Humanevolution zum „nicht so kleinen Unterschied“?
Gedanklich bietet sich in der Humanevolution die Vielfalt der Australopithecinen als Grundlage dieser Möglichkeit der Chromosomen-Mutation durch zahlreiche Unterarten-Kreuzungen an. Das Ergebnis könnte dann die sehr variantenreiche Entwicklung Homo Ergaster (und vielleicht von Homo Habilis) gewesen sein. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass dieser evolutionäre Schritt auch schon vor den Australopithecinen geschehen ist und dadurch die große Variationsbreite derselben ermöglicht hat. Dennoch ist der Schub im Gehirnwachstum nach diesen frühen Hominiden-Arten in besonderem Verdacht, Folge dieser Chromosomenmutation zu sein. Allerdings gibt es eine andere „verdächtige“ Phase eben vor dem Erscheinen der Australopithecinen.
U. a. David Reich und Eric Lander postulieren (recht „kühn“) die Wahrscheinlichkeit eines längeren Genaustausches zwischen Schimpansen und der später zum Menschen führenden Entwicklungslinie, die sie ganz besonders an dem relativ „jungen“ Trennungsalter des X-Chromosoms festmachen:
(http://www.nature.com/nature/journal/v441/n7097/abs/nature04789.html).
Hätte die Mutation der Chromosomenverschmelzung dort schon stattgefunden, könnte sie u. U. den Entwicklungsschub zu stabilem zweibeinigen Gehen der Australopithecinen beeinflusst haben.
Ein möglicher Schritt in der Forschung könnte hier die Untersuchung der Kreuzung zweier vor ca. einer Million Jahren getrennten Unterarten, Schimpansen und Bonobos, sein, was man natürlich aus anderen sicher triftigen Gründen in Primatenzentren bisher vermeidet. Hier könnten sich u. U. Anhaltspunkte zu möglichen Tendenzen der Chromosomenmutationen schon bei Großaffenhybridisierung wie auch viele weitere wichtige Erkenntnisse ergeben.
Diese Etappe der Evolution (bei Australopithecinen oder davor) ist auch trotz allen Territorialverhaltens der Primaten diejenige, die beim Paarungsverhalten „sozio-kulturelle“ Gräben sehr unterschiedlicher Unterarten noch weniger bedeutungsvoll erscheinen lässt.
Yuxin Fan, Elena Linaropoulou, Cynthia Friedman, Eleanor Williams und Barbara Trask geben in einem Artikel ein weites Zeitfenster an, in dem irgendwann die Fusion stattgefunden haben könnte, nämlich den Zeitraum von vor 6 Millionen Jahren bis vor einer Million Jahren ( http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC187548/ ).
Eine aus der Vermischung verschiedener Australopithecinen entstandene Art Homo (mit der „neuen“ Chromosomen-Formation) könnte dann auch eine große genetische Vielfalt aufgewiesen haben, die das Auftauchen atavistischer Merkmale wie das Auftauchen von zwei Wurzeln der Prämolaren bei indonesischen Erectus-Formen erklären könnte (Prof. Schrenk im Portrait „Die Evolution des Menschen“ von Bernhard Epping, Spektrum 9/2010). Ebenso könnte aber auch die Vielfalt der Australopithecinen dem breiten Hybridisierungs-Feld vor ihrem Entstehen geschuldet sein und vielleicht auch an solch breitem genetischen Spektrum späterer Formen von Homo beteiligt gewesen sein.
Zur möglichen Vermischung zwischen Homo Sapiens und anderen Menschenformen
Sehr zu recht scheint die Multiregionale Theorie der Entwicklung zum Homo Sapiens in die Rumpelkammer der Evolutionslehre gestellt worden zu sein (dazu noch mehr unten). Dem gegenüber stand bei den Verfechtern der grundsätzlich so soliden „Out-of-Africa“-Theorie des Modernen Menschen lange häufig eine kategorische Ablehnung jeder Beimischung von Neandertaler-Erbgut oder dem von späten Erectus-Formen gegenüber, die weitgehend auf die Ergebnisse zu mitochondrialer DNA gestützt wurde, beziehungsweise sich auf Erkenntnisse zum Y-Chromosom bezog.
Ob es sich bei der Vehemenz dieser Position in der Motivlage nur um ehrliche wissenschaftliche Überzeugung, angestrebte „Political Correctness“ oder einer gedanklichen „Apartheit“ handelte, mag sich individuell sehr unterscheiden.
Die neuesten Erkenntnisse bei der technisch so herausragenden Sequenzierung chromosomaler Neandertaler-DNA durch das Team um Svante Pääbo sind zwar wegen der bisherigen Unvollständigkeit sowie diverser Unsicherheitsfaktoren mit der wissenschaftlich gebotenen Zurückhaltung zu bewerten, aber sie lassen in der Interpretation sehr wohl die Möglichkeit einer geringen Vermischung zu. Was für diese Fragen weitgehend zu fehlen scheint, sind begleitende soziologische und soziobiologische Hypothesen.
Jedem, der sich ernsthaft mit der menschlichen Vorgeschichte befasst, ist natürlich klar, dass es in der entsprechenden Phase der menschlichen Entwicklung mit der Wahl von Sexualpartnern nicht so zuging wie in unseren modernen Industriegesellschaften mit ihrem hohen Grad an individueller Freiheit und „Selbstverwirklichung“, ohne Frage auch nicht so, wie in relativ repressionsfreien egalitären Gesellschaften, wie z. B. der San (mit hoher sozio-kultureller Entwicklung), sondern dass die Gemeinschaft einen wesentlichen Einfluss übte, andererseits Zufall und Gewalt eine nicht unbedeutende Rolle spielten.
Gen-Fluss, kulturelle Gruppenidentität und das alte Phänomen der Vergewaltigung
Wenn es um das insbesondere in Rede stehende Verhältnis des modernen von Afrika eingewanderten Menschen und dem Neandertaler geht, ist die sich aus diversen altsteinzeitlichen Funden („Venus von Willendorf“ und ältere „Venus-Figurinen“) ergebende Deutung einer recht Frauen- bzw. Mütter-zentrierten Struktur der Gruppen des altsteinzeitlichen Homo Sapiens naheliegend, während die explizit Großwild-jagenden Neandertaler fraglos mehr auf Kraft und männliche Dominanz ausgerichtet waren.
Ohne Austausch von materiellen Kulturgegenständen und Anregungen zwischen den Gruppen komplett auszuschließen (einige Funde legen solche Möglichkeit immerhin nahe) und auch ohne die durch Zungenbein-Funde eher naheliegende Sprachfähigkeit der Neandertaler in Frage zu stellen, kann man bezüglich des Verhältnisses Homo Sapiens – Homo Neanderthalensis nach Erkenntnislage fraglos nicht von einer Mischung von Gruppen an sich ausgehen. Was zu erwarten ist, ist z. B. eine Vergewaltigung von Frauen der jeweils anderen Gruppe bei sich bietender Gelegenheit.
Hier sei die Vermutung geäußert, dass die vermutete komplexere Frau-Mann-Rollenverteilung beim Homo Sapiens gegenüber den – mit Grund vermuteten – starken männlichen Dominanz in den Neandertaler-Gruppen unabhängig von jeder genetischen Überlegenheit der Intelligenz seitens Homo Sapiens in der Gruppen-Kommunikation die Differenzierung von Sprache und Kommunikationstechniken erheblich gefördert haben könnte. Diese „kulturellen“ Unterschiede mögen in der Konkurrenz den letztlichen Ausschlag geliefert haben.
Damit ist klar, mitochondriale DNA (nur über die weibliche Linie vererbt) ist von Neandertaler-Seite her nicht in die Gruppen des Homo Sapiens gelangt und ihr Fehlen kann auch somit nicht als Indiz für genetische Nichtvermischung herangezogen werden. Ausgeschlossen werden kann natürlich nicht, dass Frauen des Homo Sapiens geraubt und in Neandertaler-Gruppen verschleppt wurden. Solange es keine Verschmelzung beider Gruppen gab (wofür nichts spricht), spielt dieses für den weiteren Fortgang und die Frage der Mitochondrien-DNA keine Rolle, da die Neandertaler-Gruppen selbst verschwunden sind.
Es könnte also angenommen werden, dass in den Homo-Sapiens-Gruppen Kinder von Neandertaler-Vätern zu finden waren. Wie kommt es dann, dass sich im Y-Chromosom des modernen Menschen keine Spuren davon finden? Dieses wäre mit der geringen Zahl der Fälle u. U. erklärbar, es könnte aber einen weiteren „Filter“ gegeben haben.
Durch einen doch deutlichen Geschlechter-Dimorphismus könnten Söhne aus dieser Verbindung sehr viel mehr von der relativen „Grobschlächtigkeit“ des Neandertaler-Erbes gezeigt haben. Wenn nun die Rolle der Männer in den sozialen Homo-Sapiens-Verbänden eher eine „geduldete“ gewesen sein sollte, dann ist ihr Ausschluss vorstellbar und nur die weiblichen Nachkommen wären integriert worden. Damit wäre von diesen Vermischungen nichts an geschlechtsspezifischem Genmaterial überliefert worden und dieses Fehlen hätte gleichzeitig keine Aussagekraft hinsichtlich der grundsätzlichen Frage der Vermischung.
Vermischung und Klimaanpassung
Obwohl nun der Grad der Vermischung aus den vorgenannten Erwägungen sicher gering gewesen sein wird, muss sie keineswegs bedeutungslos gewesen sein. Dieses umso weniger, als in jener Phase der Entwicklung das Ausgeliefertsein an die Umweltbedingungen umso gewichtiger war. Hierbei spielen insbesondere die Vitamin D-arme Nahrung in Verbindung mit sonnenärmerer Umgebung der nördlichen Region als auch die Kälte eine Rolle.
Fraglos wird sich in Neandertaler-Populationen wegen der Entstehung derselben in nördlichen Regionen die Depigmentierung sehr viel weiter entwickelt haben. Auch der teils höhere und stärkere Nasenansatz beim selben steht wohl im Zusammenhang zum Klima. Ebenfalls wird sich das Verschwinden der feinen Körperbehaarung nicht so weit entwickelt haben wie in Afrika. Auch die sehr weitgehende Grazilierung des Körperbaus in Afrika mit den besonders langen Beinen und dem relativ kurzen Rumpf als Anpassung auf heißes Klima ist beim Neandertaler nicht so weit fortgeschritten. Es ist nun auffällig, dass gerade die „Europiden“ sich durch eine Reihe von anthropologischen „Primitivmerkmalen“ auszeichnen, die durchaus klimabezogen erscheinen.
Es ist also durchaus vorstellbar, dass die ursprünglich – wenn wir solche annehmen – geringe Beimischung von Neandertaler-Erbgut (ggf. auch anderer Menschenformen im zentralasiatischen Raum) sich unter den damaligen Bedingungen eingeschränkter Schutzmöglichkeiten als klimagünstig erwiesen hat und sich auf die – für uns heutzutage glücklicherweise unbedeutenden – Details der äußeren Erscheinung ausgewirkt haben.
Hierzu Neuestes aus Science Daily: http://www.sciencedaily.com/releases/2011/07/110718085329.htm
und aus dem Standard: http://derstandard.at/1293371004565/Revolution-in-der-Humanevolution
Homo Sapiens soziokulturell und sprachlich Afrikaner
Wir könnten es also mit einer „zweigleisigen“ Entwicklung zu tun haben: Eine durch die Vorgeschichte und die völlig unterschiedlichen Strukturen der Gemeinschaften bis auf eventuelle wechselseitige Nachahmungen praktisch komplett getrennte soziokulturelle Entwicklung, was auch die Sprache der neuen Einwanderer in die Kältezonen in ihrem „modernen“ (also mit der Entfaltung des Homo Sapiens verküpften) afrikanischen Charakter erhält. Und auf der anderen Seite – durch die beschriebenen Mechanismen – eine gewisse genetische Beimischung von archaischeren Menschentypen bei den Auswanderern. Einsichtig scheint auf jeden Fall, dass bestimmte Entwicklungen der Menschheit und ihrer Wanderungen zum Verständnis die Hypothesen-Bildung im Felde zwischen Soziologie und Soziobiologie brauchen, quasi im Sinne einer „Paläo-Soziologie“. So sollen diese Zeilen auch den Blick auf die in diesem Felde möglichen – wie vielleicht nötigen – Gedankengänge lenken.
Wissenschaft und Darstellung weiter rassistisch kontaminiert
Allzu lange war die Anthropologie offen „Hilfswissenschaft“ des eurozentrischen Kolonialismus und seiner rassistischen „Legitimation“. Ihre nennenswerten Repräsentanten (daneben gibt es offen rassistische „Rechercheure, die aber im offiziellen Wissenschaftsbetrieb kaum eine Rolle spielen) versuchen heute intensiv, diese befleckte Geschichte ihrer Wissenschaft vergessen zu machen. Verdeckt ist aber rassistische Borniertheit weiter vorhanden, wie wir noch sehen werden.
Dass bei der „Multiregionalen Theorie“ – der Theorie, dass der moderne Mensch auf mehren Kontinenten zwar nicht völlig isoliert, aber „parallel“ entstanden sei – die gedankliche Tendenz, verschiedene „Menschenrassen“ möglichst weit auseinanderzurücken, eine Rolle gespielt haben wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber auch heute ist zumindest die Popularisierung von humanevolutionären Erkenntnissen keineswegs frei von rassistischen Verirrungen und Verzerrungen. Hier sei als Beispiel das Titelblatt von GEO-Wissen (September 1998, ) genannt, auf dem sich eine Bahn vom Schimpansen-artig dargestellten Australopithecus über einen mit – aus den Knochen durch nichts begründeten – Feinmerkmalen schwarzer Menschen (die ihn als Karikatur eines „Schwarzen“ erscheinen lässt) bis zum als „weiß“ perzipierten Neandertaler (mit dem man andrerseits nicht zu tun haben will) rankt. Eine Darstellung, die selbst dem Nazi-Blatt „Stürmer“ zweifelhafte Ehre gemacht hätte (http://www.amazon.de/Geo-Wissen-Die-Evolution-Menschen/dp/3570191761 ). Diese üble Sache beruht aber nun nicht nur auf der perfiden Anordnung für das Titelblatt, sondern begründet sich schon in den unterschwelligen Abgründen im Kopf des „Rekonstrukteurs“ unserer frühen Vorfahren. Bemerkenswert ist, dass man bei diesem üblen Titelblatt auf den modernen Homo Sapiens verzichtet hat, so kann man immer sagen: über heutige Menschen sagt man ja nichts aus. Aber das Gift ist versprüht!
Auf der anderen Seite steht nun die langjährige Ablehnung der möglichen Beimischung von Neandertalern zu den nach Europa eingewanderten Menschen in der fraglos „weiß dominierten“ Wissenschaft. Es bedeutet natürlich angesichts der langen Geschichte des Eurozentrismus´ und rassistischer Borniertheit die Möglichkeit, dass gerade die Europiden eine „Portion“ eines archaischeren Menschentypus´ in tragen könnten, eine besondere Pikanterie. Vielleicht mit ein Grund für die mittlerweile langjährige Zurückweisung dieser Möglichkeit.
Nach neuen Erkenntnissen sind es übrigens die ursprünglichen Einwohner der Andamanen-Inseln (die politisch zu Indien gehören), die praktisch als Einzige unter den aus Afrika ausgewanderten Menschen keine Beimischungen archaischer Menschentypen aufweisen!
Ein weiterer Verdacht drängt sich auf: hat die vehemente Ablehnung des an sich neutralen Begriffs der „Rasse“ in der Anthropologie vielleicht viel mehr mit eigener „Reinwaschung“ der eurozentrisch dominierten Anthropologie vom Rassismus als mit wirklicher Säuberung der Gedankenwelt zu tun? Ist vielleicht das unterschwellige Motiv eher der Versuch, die unseelige Existenz des weißen Rassismus gleich mit zu überdecken und so aus dem Fokus der Auseinandersetzung zu nehmen? Eine Reihe Afrikanischer Freunde von mir neigen diesem meinem Verdacht zu. Das von mir gezeigte Beispiel des GEO-Heftes zeigt die wahre Gesinnung von manchen „Rekonstrukteuren“ der menschlichen Vergangenheit!
Andreas Schlüter
Schlagwort: Teilhabe
Veröffentlicht: Dezember 23, 2010 in PolitikSchlagwörter:Arbeitszeitverkürzung, Ausgrenzung, HARTZ IV, Produktivität, Schwindel, Selektion, Teilhabe
Gerne schwadronieren die Politiker des bürgerlichen Lagers von FDP über CDU und SPD bis zu den Grünen von der Teilhabe der “Menschen“ – die “Menschen“ nennen sie dabei ganz so, als seien sie selbst die Götter. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Angeblich ist es ja die Überalterung der Gesellschaft, die die Rente mit siebenundsechzig, den Sozialabbau und die Arbeitszeitverlängerung erzwingt. Da passen Jugend-, Alters- und Behindertenarbeitslosigkeit sowie europäische Abschottung gegen Zuwanderung schlecht dazu. Aber die BürgerInnen müssen ja bald bis Siebenundsechzig arbeiten, weil es „anders nicht geht“.
Ausgrenzung ist die Maxime
Tatsächlich hat man den Eindruck, es geht in Wirklichkeit um Ausgrenzung. Wo eine deutliche Arbeitszeitverkürzung – dem enormen Produktivitätsanstieg in unserer Gesellschaft angemessen – wirklich dazu führen würde, dass jede und jeder gebraucht würde und dann seinen „Preis“ hätte, wird ein Überangebot an Arbeitskräften erzeugt, das eine Auswahl harter Art garantiert. Gesellschaftlich ungezügelte mediale Verblödung und Brutalisierung der Jugend schafft weitere Möglichkeiten der Aussonderung aus dem gesellschaftlichen Prozess, zusätzlich wird dies in Bezug auf junge Menschen von Studiengebühren unterstützt.
Damit aber die Ausgrenzung auch als „natürlich“ (die natürliche Selektion) gesellschaftlich akzeptiert wird, müssen die Aussortierten verdächtigt, verfemt und notfalls kriminalisiert werden. Und wehe, wenn die Betroffenen auch nur die Konterfeis ihrer Plagegeister mit Farbbeuteln zu attackieren drohen, nimmt man sie ihnen eilig weg, wie auf der HARTZ IV-Kundgebung vorm Brandenburger Tor am 16. Juni 2009.
Andreas Schlüter
Artikel in der “LUPE“, Bezirkszeitschrift von DIE LINKE.Berlin-Tempelhof-Schöneberg
Randlöcher in der Himmelsscheibe von Nebra
Veröffentlicht: Dezember 23, 2010 in WissenschaftSchlagwörter:Astronomie, Bronzezeit, Deutung, Funktion, Himmelskunde, Himmelsscheibe, Jahreszeiten, Löcher, Nebra, Randlöcher, Sonnenstand
die von der Himmelsscheibe ausgehenden Faszination hat nicht nachgelassen und eine wichtige Frage harrt auf jeden Fall noch ihrer Beantwortung: Wie steht es um die Bedeutung der Löcher am Rande der Scheibe?
Die verbreitete Annahme, die Löcher könnten der Befestigung auf einer Unterlage gedient haben, scheint mir wenig einleuchtend, denn dafür hätte eine sehr geringe Zahl von Löchern ausgereicht. Es scheint mir dagegen diskussionswürdig, dass die Löcher etwas mit dem Verlauf des Benutzungsendes zu tun haben. Dafür spricht auch die recht brutale Einfügung der Löcher, die ohne Rücksicht auf die funktionellen Applikationen vorgenommen wurde.
Wie in der jüngsten Vergangenheit mehrfach diskutiert, hat die Benutzung der Scheibe wohl durch die Folgen eines Vulkanausbruchs (Santorin, möglicherweise war auch ein Vulkan in Alaska beteiligt) ihr Ende gefunden, da durch einen Ascheschleier eine ordentliche Himmelsbeobachtung nicht mehr möglich war. Darüberhinaus wird der Ascheschleier vorübergehend auch zu ernster Klimaverschlechterung geführt haben.
Sowohl die unmöglich gewordene Himmelsbeobachtung wie die Folgen für die Landwirtschaft werden die Menschen zu großer Verzweiflung und dem Versuch getrieben haben, „den Himmel wieder gnädig zu stimmen“. Es erscheint mir plausibel, dass man versucht haben könnte, den Himmel gerade mittels der Scheibe anzurufen. Dafür könnte die Benutzung der Scheibe als Klangkörper geeignet erschienen sein. Man könnte die Scheibe mit einer zickzackförmig durch die Löcher geführten Schnur in ein reifenartiges Gestell gespannt haben (so, wie man Trommelfelle zu spannen pflegt). Die Scheibe könnte dann in dieser Aufhängung schwingend als Gong gedient haben, mit dessen Stimme die himmlischen Mächte angerufen wurden. Als auch dieses nicht fruchtete, mag es zur rituellen „Beerdigung“ der Scheibe gekommen sein.
Das Fehlen des linken Beschlages sowie die „Ausfransung“ des Randes an den Löchern links scheinen diese Deutung zu stützen. Es könnte durch die schwingungsmäßige Beanspruchung zu einer Ablösung dieses Beschlages, der etwas über den Rand der eigentlichen Scheibe geragt haben mag (sodass die Löcher links auf der Scheibe nur als Einkerbungen erscheinen), gekommen sein. Mit diesem „Versagen“ des Gerätes beim „letzten Versuch“ mag sein Schicksal endgültig besiegelt gewesen sein.
Ergänzend zu Auswirkungen von Vulkanausbrüchen selbst auf der anderen Seite des Globus´: In unserer Familie gibt es Berichte, die ähnliche Folgen für die Landwirtschaft im Zusammenhang mit einem Vulkanausbruch jüngeren Datums nahelegen. Einer unserer Verwandten (Jahrgang 1875) erzählte häufig von einer denkwürdigen Entwicklung, die er als Schuljunge in der Wilstermarsch erlebt hatte. Einhergehend mit farblich spektakulären Sonnenauf- und Untergängen erfroren im Frühsommer die Kartoffelpflanzen (ein Beispiel, die Kartoffel gab es hier zur Zeit der Himmelsscheiben-Benutzung ja natürlich nicht) auf dem Feld, unzählige Schaflämmer erfroren ebenfalls, was zu einer dramatischen Verteuerung der Lebensmittel führte. Wir halten einen Zusammenhang mit dem Ausbruch des Krakatau im Jahre 1883 für gegeben.
Die oben dargestellte Deutungsmöglichkeit für die Randlöcher ist mir nach etwa zweijährigen intensiven Überlegungen in den Sinn gekommen. Eine geraume Zeit hatte ich die Idee verfolgt, dass die Löcher wegen ihrer hohen Zahl für Markierungen (im Zusammenhang mit der ursprünglichen Funktion) gedacht seien, und ich habe lange über der Zahl der Löcher gebrütet, die ich trotz der Randbeschädigungen mit 39 veranschlage (das Mittel der Entfernungen zwischen den Löchern berücksichtigend). Auch in Kenntnis der Diskussion über die wahrscheinliche Beteiligung von Klangdarbietungen an vorgeschichtlichen Ritualen kam mir dann aber der Gedanke, dass die Scheibe in der beschriebenen Weise umfunktioniert worden sein könnte.
Andreas Schlüter
Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Himmelsscheibe_von_Nebra
http://www.himmelsscheibe-erleben.de/der_fundort_der_himmelsscheibe/
Beliebte Schlagwaffe: Die demografische Keule
Veröffentlicht: Dezember 23, 2010 in PolitikSchlagwörter:Arbeitszeitverkürzung, Überalterung, demografische Entwicklung, HARTZ IV, Produktivitätszuwachs, Schwindel, Sozialabbau, Unfug, Zuwanderung
Umfangreich schreitet der Sozialabbau in unserer Gesellschaft voran. Rente mit Siebenundsechzig, Nullrunden für Rentner ohne Ende zusammen mit der Zerstörung des deutschen Rentensystems, Demontage des Gesundheitswesens und vieles mehr. Nicht nur im ersten Fall ist das beliebte Totschlagargument die vielzitierte “demografische Entwicklung“. Dies bedeutet: es gibt zu viele Alte und zu wenige Junge, die arbeiten. Außerdem werden die Alten immer älter. In der Tat ist das Älterwerden der Menschen und der Geburtenrückgang eine unbestreitbare Tatsache und wer könnte da also widersprechen? Ob aber die behauptete Konsequenz berechtigt ist, das muss an anderen Indikatoren gemessen werden.
Ja, der Arbeitsmarkt
Millionen Arbeitsloser haben angeblich HARTZ IV erzwungen. Aber, Moment mal, wäre es nicht logisch, dass die demografische Situation eine Vollbeschäftigung erzwingen würde, wenn sie alles so dramatisch aus dem Gleichgewicht bringen würde? Wir brauchen mehr Kinder, die bald für die vielen Alten arbeiten sollen? Die Alten müssen länger arbeiten? Wo sind die Arbeitsplätze? Aber wir haben Jugendarbeitslosigkeit. Nun, vielleicht haben das Fernsehen und die Ballerspiele ja die Jungen arbeitsunfähig gemacht. Da würden ja die älteren Arbeitnehmer hoch im Kurs stehen! Pustekuchen, die sind erst recht nicht mehr gefragt. Hier taucht wohl ein erstes Indiz auf, dass irgendetwas nicht stimmt.
Ja, die Zuwanderung
Wäre ein Land, dessen größtes Problem der Geburtenrückgang ist, nicht ein klassisches Einwanderungsland? Würden nicht wenigstens alle Menschen, die die deutsche Sprache erworben hätten oder sie schon in ihrem Heimatlande erlernen würden mit offenen Armen aufgenommen, vielleicht nicht aus Liebe, aber aus Not? Es gibt nicht wenige Menschen, die trotz brauchbarer oder gar guter Deutschkenntnisse von Abschiebung bedroht sind. Nichteuropäer werden nach erfolgreichem Studium nicht nur aus Sorge um ihre Heimatländer eilig hinaus gedrängt.
(fast) alles Unfug
Keine Frage, für den Bereich der emotionalen Zuwendung den Alten gegenüber durch Kinder und Enkel stellt die demografische Umstellung durchaus ein Problem dar. Aber die behauptete sozialpolitische Konsequenz ist eine faustdicke Lüge. Wir haben einen enormen Produktivitätszuwachs aus der sozioökonomischen Entwicklung heraus, der die demografische Entwicklung mehr als ausgleicht. Aber er muss durch gesellschaftliche Steuerung der Lösung des Problems zugeführt werden.
Andreas Schlüter
Artikel in der “ DIE LUPE“, Bezirkszeitschrift von DIE LINKE.Berlin-Tempelhof-Schöneberg, März 2008