Ein paar Gedanken zum 8. Mai: Gegen verschwurbelte Romantik

Veröffentlicht: Mai 11, 2013 in Politik
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befreiung

Am 8. Mai 1945 war der 2. Weltkrieg in Europa mit der deutschen Kapitulation offiziell zu ende. Mit vollem Recht fühlten alle Nicht- und Anti-Nazis sich befreit und ich kann nur ebenso froh sein, dass der menschenverachtende „Spuk“, der tatsächlich keiner war, sondern viele Millionen von Menschenleben verschlingende Realität, beendet war, und dies mir ermöglichte, in ein von der Naziherrschaft (leider nicht wirklich von Nazis) befreites Westdeutschland hineingeboren zu werden (1947). An dieser Befreiung haben die Soldaten der Roten Armee die „Hauptlast“ – welch verharmlosendes Wort – getragen. Es war für Deutschland fraglos der „Tag der Befreiung“!

In Perspektive

Man hüte sich aber vor „germano-zentrischer“ Perspektive, vor der Sicht, als wäre es das Ziel gewesen, die Mehrzahl der Deutschen, die leider – als es „gut“ lief – immer wieder dem „Führer“ zujubelten, zu befreien, nein, die Menschen Osteuropas wurden befreit von einem deutschen Okkupationsregime, das für sie Versklavung und Ausrottung, den perpetuierten „Untermenschen-Status“ vorgesehen hatte! Nach den bei Wikipedia eingestellten Zahlen kostete der deutsche Versklavungskrieg gegen Osteuropa allein die Sowjetunion mehr als 11 Millionen toter Soldaten und über 15 Millionen toter Zivilisten (http://de.wikipedia.org/wiki/Zweiter_Weltkrieg)

Eine ganz schräge Perspektive droht die Szene zu beherrschen, wenn der Blick nach Westen geht. Fraglos hat die materielle Unterstützung der Sowjetunion durch die USA eine Rolle gespielt, aber noch gravierender ist die Unterstützung, die wichtige Teile der US-Wirtschaftsmacht bei der Machtübernahme durch die Nazis gespielt haben! Dies taten sie nicht nur teils aus gedanklicher Kumpanei mit rassistischer und antijüdischer Nazi-Ideologie wie Henry Ford, sondern wesentlich aus der geostrategischen Zielsetzung, durch ein „Blitzkriegs“-fähiges Deutschland den weltpolitischen Hauptkonkurrenten England auf die Plätze zu verweisen und die Systemalternative Sowjetunion zerbomben und zerschlagen zu lassen, um das „Amerikanische Jahrhundert“ zu befestigen (http://tinyurl.com/6798tjr). Die erste Zielsetzung ist erreicht worden, die zweite wurde erst nach dem Kalten Krieg zum Teil erreicht. Allerdings besteht das Ziel weiter, Russland zusammen mit dem „Land der Mitte“, China, daran zu hindern, den der Größe dieser Länder entsprechenden Rang im Weltgeschehen zu bekleiden (http://tinyurl.com/bqqdwmv).

Ist der Faschismus tot?

Nach dem Zweiten Weltkrieg sammelten US-Geheimdienste (und der MI 6) alles an Nazis und Faschisten ein, was nicht in allererster Reihe gestanden hatte, um durch „Geheimarmeen“ alle linke und sozialorientierte Politik in ihrem Machtbereich zu zerschlagen (Gladio, http://tinyurl.com/a3aqv2p). Die oberflächliche Symbolik von Nazitum und Faschismus räumte der Imperialismus als „lernendes System“ irgendwann in die Rumpelkammer, aber die Mittel zur Durchsetzung „neufreiheitlicher“ Auspressung und Knebelung der Mehrzahl der Menschen auf diesem Globus sind keineswegs wirklich andere, wie sehr schön Naomi Klein in „Die Schock-Strategie“ darlegt. Dass dabei auch immer wieder auf schlichten Faschismus zurückgegriffen wird, ist ebenso gut belegt. Vielleicht kann man die neuen Tendenzen am besten als „Konzern-Faschismus“ bezeichnen. Konzerne wie Monsanto (http://tinyurl.com/6x6vxro) und Microsoft spielen dabei eine wichtige Rolle wie die Großbanken, die „too big to fail“ sind, um aus den USA heraus die Welt „fest im Griff“ zu halten (http://www.youtube.com/watch?v=t-XIeb879SY&feature=youtu.be).

Andreas Schlüter

Kommentare
  1. […] Ein paar Gedanken zum 8. Mai: Gegen verschwurbelte Romantik […]

  2. klaus janich sagt:

    hallo frank!
    diese frage hat sich mir nie gestellt. mein grossvater hat russischen kriegsgefangenen zur flucht verholfen und versteckt. es folgten gestapo-haft, gerichtsurteil, hinrichtungstermin 15.05.45 ! für unsere familie ist der 8.mai ein tag der befreiung.
    allerdings habe ich immer wieder leute getroffen wie deinen vater. nur fragte ich weiter wo, wann, warum, was hast du da gemacht ? immer wieder merkte ich, wie leute dann abblockten, dicht machten. sich den fragen zu stellen war diesen leuten sichtlich unangenehm.
    wer von kapitulation sprach wollte wohl seine nähe zur nazi-ideologie nicht hinterfragen. von einsicht oder gar reue keine spur. von kapitulation reden heisst, das ganze auf eine abstrakte, staatliche ebene zu heben, weit ab von der eigenen denkweise und der eigenen mitschuld.
    sich mit dem deutschem untertanengeist/herrenmenschentum (zwei seiten ein und derselben medaille) auseinander zu setzen lag nicht im interesse der alten/neuen machteliten der BRD.
    das ist das problem bis heute geblieben !!!

  3. Otto Frank sagt:

    8. Mai 1945 – Kapitulation oder Befreiung? Lebt der Faschismus noch?
    Nicht nur die Geschichte, sondern auch die Perspektive und mit ihr der Standort des Betrachters sind für das Finden der Antwort entscheidend.
    Bei Kriegsende als erster Sohn eines 23-jährigen Schwerkriegsbeschädigten geboren, hatte auch ich – wie die gesamte Familie -unter den täglichen kriegsbedingten körperlichen und seelischen Gebrechen zu leiden. Die Antwort meines Vaters auf meine kindliche Frage, wer ihm denn sein Bein so kaputt gemacht hätte, schockierte mich: die Russen. Ich spürte tiefen Hass und Rachegefühle gegen diese Russen in mir, muss das auch sprachlich so artikuliert haben. Mein Vater jedoch besänftigte und schockierte mich zugleich mit seinen Worten, die mir noch heute geistig präsent sind, weil sie mich auch wesentlich geprägt haben:“Nein! Weißt du, in Russland laufen auch Männer mit so kaputten Beinen herum wie ich sie habe. Und das haben sie von mir.“
    Ich war geschockt und verstand die Welt nicht mehr.
    Gleichwohl sprach mein Vater für mich völlig unverständlich nie eindeutig von „Befreiung“, sondern mehr von „Zusammenbruch“. Ich habe dann im Laufe meines Heranwachsens (ob in Schule oder in Uni) offiziell immer nur den Begriff „Kapitulation“ vernommen – wie ich auch nie etwas über die Bücherverbrennung der Nazis am 10. Mai etwas erfahren hätte.
    Erst in den 60-er Jahren im Zusammenhang mit den Auschwitzprozessen hieß das dann „Befreiung“. Hat der Sprachgebrauch „Kapitulation“ oder „Befreiung“ etwas mit mehr oder weniger starken Nähe zum Nazismus zu tun oder ist das nur Ausdruck der psychischen und geistigen Nichtverarbeitung unter den Bedingungen der Nachkriegsnot und des Kalten Krieges, denn die vormals verfolgten Sozialdemokraten und Kommunisten sprachen selbstverständlich von Befreiung. Materielle Kriegsfolgen wurden erfolgreich behoben, geistige und moralische wohl weniger.

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