Kolonialkrieg: Quälende Fragen und unerfreuliche Antworten

Veröffentlicht: April 15, 2011 in Politik
Schlagwörter:, , , , , , , ,

Wieder führt der Westen Krieg, natürlich im Namen von „Menschenrechten“ und „Demokratie“, letztlich im Namen der „Zivilisation“. Bis eben in der Elfenbeinküste und ungebrochen in Libyen! Dabei ist es ziemlich egal, ob der Westen durch seine Stärke in der Lage ist, sich von der UN eine Art Freibrief zu erschleichen (bzw. zu erpressen) oder nicht, notfalls tut es auch eine „Koalition der Willigen“.

Ein paar Fragen sollten gestellt werden

Warum wird es als selbstverständlich akzeptiert, dass deutsche Soldaten z. B. im Kongo (zur „Sicherung“ der letzten Wahlen) herum stapfen, oder überhaupt europäische Soldaten? Ist das nicht so, als würden deutsche Soldaten in Polen im Falle gesellschaftlicher Konflikte dort als Ordnungsmacht auftreten?

Warum gibt es Kindersoldaten in Afrika? Und Warlord-Unwesen und mit Heckler & Koch-Gewehren bewaffnetes Banditentum?

Warum gibt es ein Amerikanisches Militärisches Oberkommando für Afrika?

Nyerere hat einmal für Tansania entschieden, dass die gar nicht so raren Bodenschätze des Landes Tansania erst gefördert werden, wenn technologisch gewährleistet ist, dass Tansania die ganze Verarbeitungskette selbst managen kann. Leider hält sich heute in Tansania niemand mehr daran. Aber zu Afrika steht das Thema Bodenschätze weiter oben auf der Agenda. Warum wird nicht alles getan, damit Afrika die Förderung und Vermarktung seiner Schätze in die eigene Hand nehmen kann?

Wo gibt es besonders viel Uran, Kupfer, Coltan (Tantal) für Handys und Computer, Gold und Diamanten? Und wo gibt es besonders viele Kindersoldaten?

Das erste Land Afrikas, das einen Schlüsselrohstoff für Europa hatte, war der Kongo. Acht bis zehn Millionen Menschen fielen dem “Privatkolonialismus“ des belgischen Königs Leopold zum Opfer. Warum wird das mediale „Urbild des Rassismus´“ heute ausgemacht von deutschen und europäischen Verbrechen an den Juden und von Tötungsverbrechen zwischen Hutus und Tutsis?

Das sind furchtbare Verbrechen, aber der eigentliche Rassismus rechtfertigt die Verbrechen offen oder versteckt mit äußerlich deutlich sichtbaren „rassischen“ Unterschieden oder „sorgt“ besser gesagt dafür, dass sie als gerechtfertigt gefühlt werden. Die anderen Verbrechen kann man Chauvinismus, Nationalismus, religiösem oder sozialem Fanatismus zuschreiben, was selbstverständlich die Sache nicht besser macht. Schlimm und furchtbar genug, aber Rassismus muss eine klare Kategorie bleiben, auch wenn die aus den unterschiedlichen verbrecherischen Haltungen heraus entstehenden menschlichen Leiden letztlich die gleichen sind.

Zurück zum Kongo: Joseph Conrad schrieb über die Situation im Kongo aus seiner Sicht, “Das Herz der Finsternis“. Er stellte letztendlich die europäischen Gräuel tendenziell als Anpassung an die afrikanische barbarische Umgebung dar. Der Kongo ist aber nicht das Herz, sondern der Spiegel imperialistischer Finsternis!

Was wollen viele Menschen auch hier? Gerechtigkeit! Wenn es zu ihrem eigenen Nachteil ist, etwas weniger vehement. Je mehr man profitiert, desto weniger Skrupel hat man.

Vom Imperialismus profitieren die Wirtschaftsmächtigen in erster Linie. Da können sie aber auch dem eigenen Volk gegenüber ein wenig generöser sein, von Cecil Rhodes in frappierender Offenheit beschrieben. Aber auch gerade junge Menschen in den imperialistischen Ländern wollen Gerechtigkeit für andere.

Was macht man, um die Menschen überall von Protesten gegen imperiale Ungerechtigkeit abzubringen?

Man gibt die Aktionen der Ungerechtigkeit als Förderung der Gerechtigkeit aus. Man muss die Eingriffsmentalität fördern. Man muss Unklarheit über die Ursachen von Leid schaffen und man muss dafür sorgen, dass die Situation als nicht aus den betroffenen Gesellschaften selbst heraus behebbar erscheinen.

Und wenn es gewaltsamen Widerstand gegen den Imperialismus gibt? Da muss man dafür sorgen, dass in den westlichen Gesellschaften kein Unterschied zwischen legitimen Befreiungsbewegungen und Warlord-Unwesen und Banditentum möglich ist.

Kehrt die Vergangenheit zurück?

Vor mehreren Jahrzehnten kam mir einmal ein furchtbarer Gedanke. Ich war mir bewusst, wie sehr der Ost-West-Gegensatz geholfen hatte, die Unabhängigkeit vieler afrikanischer Länder zu erringen, die Zahl der Opfer dieses Kampfes nicht ins Uferlose wachsen zu lassen. Mir war klar, wie begrenzt die technischen Machtmittel der jungen Staaten waren, wenn es zu Auseinandersetzungen mit den imperialistischen Ländern käme. Und dann der Gedanke, was wäre, wenn der Gegensatz einmal aufhörte? Ich will nichts beschönigen, der Ost-West-Konflikt hat die Menschheit in der Nähe des atomaren Holocaust gehalten, er hatte fraglos viele Gefahren, aber ich erlaubte mir, ihn aus der afrikanischen Perspektive zu betrachten. Ja, wenn er aufhörte, könnten dann die Kolonialisten womöglich zurückkommen?

Ja, wir wissen, der alte Ost-West-Gegensatz hat aufgehört, was die USA allerdings nicht davon abhält, die Nuklearwaffenentwicklung, die Entwicklung von “Massenvernichtungswaffen“ weiter voran zu treiben und ihre “Neo Cons“ in den berühmten “Think Tanks“ vom eigenen Ersteinsatz dieser Waffen schwadronieren zu lassen. Der Gegensatz ist in seiner klassischen Weise beendet, aber die USA sind als Militärmacht nicht kleiner geworden, ihre europäischen Hilfstruppen auch nicht. Die Frage, die mich damals so furchtbar erschreckte, sie ist aktueller denn je!

Der Westen hat erfolgreich die nationalen Visionäre Afrikas ausgeschaltet oder zur Seite gedrängt. Er hat erfolgreich die politische Kultur des Kontinents vergiftet und zerstört.

Wie das geht, davon legt der ehemalige US-amerikanische Wirtschaftsagent John Perkins in seinem Buch “Weltmacht ohne Skrupel“ beredt Zeugnis ab!

http://www.amazon.de/Weltmacht-ohne-Skrupel-Globalisierung-Entwicklungsl%C3%A4nder/dp/363601448X

Der Westen hat den Kontinent auch fleißig mit Waffen aus seiner Produktion überschwemmt.

So war es schon vor hundertfünfzig Jahren

Waffen wurden nach Afrika verkauft, gegen die die Imperialisten zehnmal bessere Waffen hatten! Und die Waffen wurden an die verkauft, denen man am ehesten zutraute, ihre Landsleute zu verraten, an ihrer Versklavung mit zu wirken und als Werkzeuge zu dienen.

Und so ist es heute: Die großen Konzerne in ihrem Durst nach Profit machen lieber mit Warlords, die sich der Sklavenarbeit bedienen, Geschäfte als mit funktionierenden Staaten! Sie setzen diese Warlords in den Stand, sich notfalls Kindersoldaten zu halten. Im Ost-Kongo, in Sierra Leone und Liberia u. a.. Wo es Bodenschätze gibt, ist das Warlord-Unwesen nicht fern, da wird man Kindersoldaten treffen. Die Ursachen, besser, die Verursacher sind nicht sichtbar, aber die Kindersoldaten! Ist Afrika nicht barbarisch?

Ja, genau wie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts! Da hatte man schon so viele Völkerschaften gegeneinandergehetzt, das Afrika von Gewalt überquoll, von der durch die Europäer erzeugten Gewalt. Gut, die arabisch-islamische Konkurrenz war auch nicht untätig, übrigens nicht selten durch europäische Händler bewaffnet. Und diese Konkurrenz passte gut in den Kram. Alle Gewalt konnte man ihr anlasten. Und vor ihr musste Afrika geschützt werden!

Es ging um die Ausweitung der Kolonialgebiete. Es ging darum, die Reste afrikanischer Eigenständigkeit und Souveränität zu zerstören. Aber es wurde davon schwadroniert, die Seelen der Afrikaner zu retten.

Die neue alte Masche: Auch damals schafften es die Kolonialapologeten, die übrigen Menschen in ihren Ländern darüber hinweg zu täuschen, dass viele Probleme Afrikas mit dem bereits jahrhundertelangen Wirken Europas dort zusammen hingen. Das propagandistische Instrumentarium gleicht sich erschreckend. Allerdings ersetzt die “Sorge um das Seelenheil“ der Afrikaner heute ein abstrakter Begriff von Menschenwürde, den die westlichen Konzerne jedoch nicht teilen. Auch die arabische und islamische Bedrohung Afrikas kommt wieder ins Spiel.

Und die Arabische Welt!

Wie kommt unser Öl unter ihren Sand?

Damit es doch „zu unseren Gunsten“ sprudelt, stützt und bewaffnet man ausgesuchte Despoten, wie insbesondere die saudische Königsclique.

Und im Übrigen: wenn in der Arabischen Welt, derzeit besonders ihrem Afrikanischen Teil und in Palästina, die Menschen ehrlich Freiheit wollen, wird die islamistische Gefahr (die Moslembrüder!) an die Wand gemalt, oder man versucht, sich dieser Bewegung zu bemächtigen. Schließlich greift man auf rückwärts gewandte Kräfte in Ostlibyen mit „königstreuer Gesinnung“ und alter Flagge zurück, feuert sie an, um dann, wenn sie in die Bredouille gelangen, zu behaupten, nun müsse man für die Demokratie bomben!

Und wenn die „islamische Bedrohung“ nicht groß genug ist, kann man sie noch etwas größer machen. In Nordnigeria haben die Saudis, die Verbündeten der USA, von jenen nicht kritisiert, heftig mit Geld gewühlt und frauenfeindliche Exzesse und Ausschreitungen gegen Andersgläubige ermöglicht. Damit die Flammen auch schön hoch schlagen, wühlen US-Evangelikale von der anderen Seite her.

Und wie auch damals im jeweiligen Kolonialland die Warnung half: “es kommen andere und nehmen uns dort was weg“, dient heute dem sozusagen vereinigten Westler auch China als Popanz.

Wie kann man sein Tun verschleiern?

Allerdings muss man die Umstände der großen Zahl der Menschen in den westlichen Ländern selbst gegenüber verschleiern, die einfachen Menschen finden Raub und Mord meist nicht so toll. Sie fühlen sich wohler im Bewusstsein, gute Menschen zu sein. Man muss ihnen das Elend zeigen und ihnen vermitteln, dass ihre eigenen Gesellschaften, also sie selbst dauernd Gutes tun. Her mit dem Elend!

Das Elend ist real: Es ist nicht zu bestreiten, dass es durchaus Organisationen unter den sogenannten Nichtregierungsorganisationen (non governmental organizations = NGOs) und auch Unterorganisationen der UN gibt, die im Einzelfall Segensreiches bewirken, zu viel gibt es tatsächlich an realem Elend. Krankheiten wie AIDS und Malaria, Hunger, Verletzte durch Bürgerkriege (besonders Landminenopfer) und ein deutlicher Mangel an schulischer Versorgung sind traurige Realitäten. Und manches Großmutterherz lässt sich durch wirkungsvoll ins Bild gesetzte große Kinderaugen aus einem dunklen Gesicht zu einer Opfergabe aus der kleinen Rente bewegen, um Leid zu lindern. Jean Ziegler, der große Schweizer, sagt: “Es kommt nicht darauf an, den Menschen der Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen weniger zu stehlen!“, in seinem Buch “Das Imperium der Schande“

Die Farce der “Entwicklungspolitik“

Jahrzehnte westlicher Entwicklungspolitik sind nichts anderes als eine betrügerische Farce. Nicht nur, dass Deutschland seine vollmundig angekündigten 0,7 % des Bruttosozialprodukts an Hilfe nicht annähernd einlöst, die Fortsetzung der alten bundesdeutschen Hilfe ist weitgehend eine Verschleierung der Tatsache, dass sogenannte Entwicklungs-Politik vornehmlich Entwicklungsverhinderungs-Politik ist. Keinerlei wirkliche Entwicklung hat sie bewirkt. Es gibt keinen realen Willen, den Ländern der Dritten Welt zur Industrialisierung zu verhelfen. Es gibt stattdessen den Willen, ihnen ungebremsten Freihandel zu ihrem Nachteil aufzuzwingen, bei gleichzeitigem Schutz z. B. der eigenen Agrarerzeuger. Es gibt den grimmigen Willen, die vollständige Privatisierung auch in den Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge zu erzwingen, wo sie sich nach der Unabhängigkeit gebildet hatte. Das Wirken der vom Westen dominierten Weltbank und der Welthandelsorganisation zielt eben darauf ab. Vollmundig werden dagegen in der UN Mileniums-Ziele verkündet. Ziele, die in den westlichen Ländern, da sie immer weiter “entgesellschaftlicht“, immer mehr privatisiert werden, sowieso nicht umgesetzt können werden.

Die Hilfe ist vor allem profitabel für die “Helfer“, junge Menschen, die Gerechtigkeit wollen, werden in nette Jobs eingebunden, sie kriegen das Gefühl, man kann in dieser Welt helfen, ohne sich mit Kapitalisten anzulegen, die braucht man ja für Spenden!

Hilfe, Hilfe, Hilfe! Und nur Barbarei!

Die gilt es pausenlos zu zeigen, wohlbemerkt, nicht die eigene. Und da liegt es nahe, die afrikanische Souveränität endgültig zu demontieren. Auflagen von WWF und WTO sind selbstverständlich, Militäreinsätze westlicher Armeen die Rettung!

Heia Safari: So wird es nun als selbstverständlich hingenommen, dass die Bundeswehr auch in Afrika operiert. Damals wie heute aber war die Grundlage der kolonialen Mobilisierung der sorgsam gepflegte Eindruck: “ohne uns kriegen sie es einfach nicht gebacken“, und das, wo wir doch so viel helfen!

Falsch: durch die Mitwirkung des Westens oder besser, durch die von uns geduldeten kapitalistischen, militaristischen und geheimdienstlichen Exzesse des Westens kommen die Afrikanischen Gesellschaften nicht zu sich selbst.

Aber das wird sorgsam verhüllt. Und wichtig ist, dass man verhüllt, dass man jeweils die afrikanischen Völker als ganze Völker versklavt, man muss sie sorgsam trennen, in die bösen Männer, die verstockten alten Frauen (die Frauenbeschneidung machen, sicher eine schlimme Sache!), in die verantwortungslosen Mütter, die den ganzen Unsinn mitmachen, in die gefährlichen Jugendlichen, da bleiben nur die Kinder, rettet die Kinder! Kein Wunder, dass “Helfer“ sich dazu versteigen, die armen Kinder diesem bösen Kontinent zu entreißen! (wie vor einigen Jahren die französischen “Helfer“ im Tschad versuchten)

Die Geschichte wiederholt sich offenbar

Die Ausweitung fing oft mit “Schutz“ an, Schutz für die eigenen Händler, für die eigenen Bürger. Frankreich praktiziert das ungeniert und ununterbrochen. Aber für die Öffentlichkeit noch viel wirksamer: Schutz für die armen Eingeborenen, Schutzverträge, Schutzgebiete, Friedensmissionen!

Es ist makaber, aber die Intellektuellen der westlichen Länder sind so auf die Erinnerung der Gräuel des Faschismus innerhalb Europas fixiert, dass sie ihr geschichtliches Gedächtnis gegenüber der kolonialen Vergangenheit verloren haben. Alle historische Sensibilität verengt sich auf Sensibilität Israel gegenüber. So sehr, dass man Israels rassistische Kolonialpolitik nicht sehen will. Afrika gegenüber braucht man kein schlechtes Gewissen zu haben, die Afrikaner haben ja angeblich selbst kein Gewissen!

Diese Slogans von „Menschenrechten“ und „Demokratie“ sind ein Wind aus dem Gesäß des modrigen, wiederauferstandenen Zombies, den man Kolonialismus nennt!

Interessante Links:

http://www.horacecampbell.net/

http://pambazuka.org/en/category/features/70059

Andreas Schlüter

Kommentare
  1. […] eine Geschichte der Vielfalt„Gladio“, eine „untote“ Organisation?Krieg gegen den Iran?Kolonialkrieg: Quälende Fragen und unerfreuliche Antworten […]

Hinterlasse einen Kommentar