Am 3. Oktober 1990 trat die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes der alten Bundesrepublik Deutschland bei. Der 3. Oktober soll der Einheit in diesem Lande gewidmet sein. Kann er diese Aufgabe erfüllen? Ist nicht die Vereinigung schon mit dem Versäumnis, der ursprünglichen Terminierung des Grundgesetzes zum Tage der Vereinigung in eben diesem  Grundgesetz Folge zu leisten, „vermasselt“? Diese Frage zieht eine andere nach sich: Gibt es denn jetzt eine Einheit oder bewegen wir uns auf eine solche zu?

Eine Frage des „Dazugehörens“

Es sollen hier gar nicht die sehr berechtigten Klagen hinsichtlich der Vergütungs- und Lohn-Unterschiede zwischen „alten“ und „neuen“ Bundesländern wiederholt werden, die immer noch nicht beseitigt sind. Noch bedeutsamer erscheint mir, dass der rasante Abbau des Sozialstaates in all seinen Facetten eine Nicht-Einheit erzeugt, wie sie weder die alte Bundesrepublik noch die DDR gekannt hat.

Vielfach ist die Gesellschaft geteilt: in die mit Arbeit und die ohne, in die mit gesichertem Arbeitsverhältnis und die in „prekärem Arbeitsverhältnis“, in Privatversicherte und die Kassen-Ärmlinge, insbesondere mehr denn je in extremer Weise in Arm und Reich, ja, und auch immer noch in „Deutsche“ und „Ausländer“, unter letzteren sind viele, die hier lange leben und Steuern zahlen. Von ihnen könnten eine Reihe Deutsche werden, aber dafür verlangt man (wenn sie nicht aus dem „westlichen Ausland“ sind) das Aufgeben der ursprüngliche Staatsangehörigkeit und auch noch Prüfungen der lächerlichen Art, dass viele „Ureinwohner“ sie nicht bestehen würden.

„Wir sind wieder wer!“

Sagte damals Ludwig Erhard vollmundig im Schwung des „Wirtschaftswunders“, und wer wir sind! „Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen“, hatte es nach dem von Nazi-Deutschland angezettelten Weltbrand geheißen. „Die Deutschen müssen das Töten lernen“ titelte der Spiegel (47/2006, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-49612664.html) ironisch bezogen auf die Wünsche der Amerikaner, die die alte Bundesrepublik mehr schlecht als recht „entnazifiziert“ hatten (wie sollten sie es auch gut machen, wo doch in vielen US-Bundesstaaten noch „Rassengesetze“ galten, die den Nürnberger Rassegesetzen zum Verwechseln ähnlich sahen, nur eben gegen „schwarze“ Menschen gerichtet?). Nun wollen sie schon seit Jahren, dass die Deutschen eben dieses wieder lernen. Und die Deutschen sind leider in erheblicher Zahl sehr bereit, im „Krieg gegen den Terror“ (die Frage, wer ihn angezettelt hat, ist nicht befriedigend beantwortet) und beim Bomben „für Demokratie und Menschenrechte“ (aber eigentlich für Rohstoffe, wie der naive Köhler zu seinem Schaden ausplauderte) fleißig mitzumachen.

Dabei erschrickt es, dass es nicht zuletzt die „Sozialdemokraten“ (vielleicht besser „Unsozialdemokraten?) und „Olivgrüne“ sind, die sogar noch zaghafte Versuche, sich zum Beispiel aus dem libyschen Kolonialkriegsabenteuer herauszuhalten, scharf kritisieren. Ja, „wir sind wieder wer“! Kein Grund zur Freude für Jeden, der wirklich sozial und gerecht denkt. Wir sind nicht beim Feiern dabei!

Andreas Schlüter

Siehe auch: http://uweness.eu/der-deutsche-9-11.html

Kommentare
  1. A. M. Diallo sagt:

    Lieber Andreas, gute Analyse. Falsche politische Einrichtung auf alle Ebene. Damit soll man nicht feiern. Schönen Tag wünsche ich Dir. Madou

  2. A. M. Diallo sagt:

    Lieber Andreas, gute Analyse:. falsche Politische Einrichtung. auf alle Ebene. Damit soll man nicht feiern. Schonen Tag wunsche ich Dir. Madou

  3. Wittig, Siegfried sagt:

    Lieber Andreas, man muss sich nicht gleich in den Einheitstaumel am Branden-
    burger Tor stürzen, aber das schöne Wochenendwetter konnte man auf alle
    Fälle genießen. Ich habe einen schönen Tag im Spreewald mit Paddeln
    verbracht, übrigens mit zunehmend vielen „Altbundesbürgern“.
    Da konnte ich meinen Frust der vergangene Woche über das neokoloniale
    Gehabe der Bundesregierung gegenüber der namibischen Delegation
    abbauen. Die Rede von „Frau Pieper“ war der Gipfel.
    Aber etwas Gutes hat die Einheit doch, auch wir sind uns näher gekommen.
    Beste Grüße Siggi

    • Schlüter sagt:

      Lieber Siggi,
      da sind wir, wie man so schön sagt, völlig „beieinander“, natürlich bin ich nicht gegen die „Einheit“, sondern im Gegenteil für sie! Aber für eine Einheit in Gerechtigkeit und für eine Einheit in Verantwortung, auch in Verantwortung für die gemeinsame Geschichte, auch für die Geschichte über die Nazi-Untaten hinaus, und eben auch die Untaten des Kaiserreichs einschließend. Dieser Verantwortung entzieht man sich eben auch auf so schamlose Weise, wie die Namibia-Geschichte wieder zeigt.
      Herzliche Grüße
      Andreas

  4. klaus janich sagt:

    hallo andreas!

    an einem einheiz-fest hätt ich gern teilgenommen. aber der 3.oktober 1990 ist nur ein formaler verwaltungsakt der bonner regierung gewesen. die ministerialbürokratie feiert sich selbst.
    was soll ich da feiern?
    die einheit wurde durch die tat vollzogen, nämlich dem mauerfall o9.11.89. punkt!
    was dann folgte, war allerdings raubtierkapitalismus in reinkultur. noch nie ist karl marx so brilliant bestätigt wurden, wie durch die praxis des anschlusses in den 5nbl.
    im osten änderte sich alles wie es im westen blieb.
    was soll ich da feiern?
    nach dem kohl`schem mehltau kam es zu keiner geistig-kulturellem wiederbelebung.
    stillstand im kopf, es knirscht im staatsgefüge. die problemlagen überschlagen sich.
    was soll ich da zu feiern?

    mit soz. grüssen! trotz alledem! klaus

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